Frankfurter Buchmesse : Aufbruch im Hybrid-Format
Frankfurt In der kommenden Woche findet in Frankfurt die Buchmesse statt. Nach dem Pandemie-Knick blickt der Handel wieder recht optimistisch in die Zukunft. Normal wird der weltgrößte Branchentreff aber trotzdem nicht werden.
Das bekannteste Möbel von Ikea ist nach wie vor das Bücherregal Billy. Es steht in Zehntausenden Wohn- oder Schlafzimmern, Kinderzimmern und langen Fluren. Wer an Billy denkt, denkt an Bücher, auch wenn man in dem Regal noch eine Menge anderen Kram unterbringen kann. Auch das Handy kann man auf einem Brett ablegen, es ist heute für viele Menschen wichtiger als das Buch.
Juergen Boos, Chef der Frankfurter Buchmesse, möchte die Handybegeisterung ein kleines bisschen relativieren. „Die ganze Bandbreite der deutschsprachigen Literatur- und Sachverlage hat sich angemeldet“, frohlockt er im Vorfeld des weltgrößten Branchentreffs. Jetzt soll es nach dem schwierigen Pandemiejahr 2020 wieder eine richtige Buchmesse mit Ständen, Geschäfts- und Gesprächsnischen, Veranstaltungen und Partys mit Autoren geben. „Die großen europäischen Buchmärkte sind gut vertreten“ in Frankfurt, erklärt Boos weiter. Das Motto der 73. Ausgabe lautet „Re:connect – Welcome back to Frankfurt“. Allerdings schränkt er ein: „Das ist immer noch keine normale Messe. Das ist nicht 2019.“
2019 hatte die Buchmesse ihr erfolgreichstes Jahr, danach kam der Absturz, für Oktober haben sich nun Teilnehmer aus 85 Ländern angemeldet. Bedeutsame Kulturveranstaltungen brauchen Atmosphäre, deshalb ist physische Präsenz so wichtig, Menschen treffen Menschen. Boos kündigt an, die 72. Buchmesse abhängig von der Pandemieentwicklung dieser Tage durch digitale Plattformen zu ergänzen. Formate wie die „Frankfurt Conference“, das Networking „The Hof“ für Fachbesucher und die „Frankfurt Rights“ mit dem Handel für Rechte und Lizenzen finden statt. Für das Publikum sollen „reichweitenstarke hybride Formate, die Bücher und Autoren ins Gespräch bringen – und ins eigene Wohnzimmer“ kommen, sagt der Messechef.
Nach der Verleihung des Deutschen Buchpreises am kommenden Montag wird die Messe am Dienstagabend, 19. Oktober, offiziell eröffnet. Auf der Pressekonferenz am Morgen wird unter anderem der russische Autor und Regierungskritiker Dmitry Glukhovsky sprechen. Ab Mittwoch ist die Messe für Fachbesucher geöffnet. Sie endet am Sonntag (24. Oktober) mit der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe.
Englischsprachige und frankofone Verlage werden die Messehallen besetzen. Ehrengast Kanada, der seinen bereits 2020 geplanten Auftritt um ein Jahr verschoben hatte, richtet wie gewohnt den Gastland-Pavillon ein, lädt Besucher aber parallel auch in eine virtuelle Version dieses Pavillons ein. Die Gestaltung werde optisch die Landschaften Kanadas aufnehmen, verrät Kreativdirektor Gonzalo Soldi: Wellen und Berge werden zu Screens, auf denen Schriftsteller virtuell zu erleben sind, die nicht physisch anwesend sein können. Von den 60 Autorinnen und Autoren, die das Land in Frankfurt vertreten, kommen nur neun real auf die Messe. Auch die bekannteste Autorin des Landes, Margaret Atwood, wird zum Eröffnungsfestakt am 19. Oktober nur virtuell zugeschaltet.
Rahmenprogramme mit vielen Medienpartnern sollen anwesend sein. Die ARD-Buchmessenbühne wird stattfinden, sie breitet sich in der Festhalle unter dem Motto „Wie wollen wir leben?“ aus. Mit dem Verband der Bildungsmedien wird zusammengearbeitet, und Buchpräsentationen werden wieder am „Blauen Sofa“ in Halle 3,1 zu erleben sein. Neu ist in diesem Jahr auch, dass das Publikum früher auf die Messe darf: nicht erst am Samstag, sondern schon ab Freitagnachmittag. Auch der Buchverkauf ist dann schon möglich.Die Buchmesse baut mutig auf, auch wenn die Rekorde der vergangenen Jahre aufgrund der Pandemie nicht erreichbar sind.
Zugute kommt der Veranstaltung, dass die Nachfrage nach Büchern ungebrochen ist. Viele Buchhandlungen bundesweit konnten ihre Kunden behalten und sogar neue hinzugewinnen, weil sie kreative und digitale Wege fanden. Zudem durften sie in der schlimmsten Phase der Coronavirus-Pandemie, dem Herbst und Winter des vergangenen Jahres, die Geschäfte offen halten. Die Einschränkungen mit Abstand und Anstehen, weil nur eine bestimmte Menge mit Masken in die Buchhandlungen durften, werden akzeptiert. Für viele Menschen in diesem Land ist ein Leben ohne Buch nicht denkbar.
Es gibt „Licht-, aber auch Schattenseiten“, sagt Alexander Skipis als Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Im ersten Halbjahr 2021, vor allem im Frühjahr, ging der Gesamtumsatz – im Vergleich zum selben Zeitraum des Jahres 2019, vor Corona also – um 3,7 Prozent zurück. Inzwischen, heißt es, seien die Zahlen wieder „stabil“ und um ein minimales Plus von 0,1 Prozent auf 9,3 Milliarden Euro gestiegen. Das sei, so Skipis, vor allem den Buchhändlern zu verdanken, hauptsächlich im Online-Buchhandel, dort sind 20 Prozent Plus gepunktet worden. Viele Kleinverlage haben allerdings Probleme, die Insolvenz geht um. Trotzdem werden immer wieder neue Literaturverlage gegründet.
Was sich die Buchhandelsbranche wünscht, das sind Bestseller, authentische Romane, wie etwa Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg“. Das Buch stand zwei Jahre lang auf Bestsellerlisten, dort monatelang auf Platz eins. Das ist 14 Jahre her, seitdem gab es einen solchen Erfolg nicht mehr. Aber vielleicht kommen bald wieder bewegende Bücher, die Menschen berühren und begeistern.