„Die Dame mit der bemalten Hand“ : Auf der Suche nach Sinn
Aachen „Die Dame mit der bemalten Hand“, mit der Christine Wunnicke auch auf der Shortlist für den diesjährigen Deutschen Buchpreis stand, umfasst nur wenige Tage. Ein Buch wie ein Fiebertraum, verschnörkelt und leicht neben der Spur.
Es ist ein ungleiches Paar, das im Jahr 1764 auf der Insel Elephanta im Arabischen Meer aufeinander trifft: Der persische Astronom Musa, der eigentlich auf dem Weg nach Arabien ist, und der junge deutsch-dänische Mathematiker Niebuhr, der als Einziger seiner Expedition noch am Leben ist. Auch Niebuhr erkrankt auf der Insel und fiebert dort in einer Ruine vor sich hin, bis Musa ihn findet. „Er trat mir auf den Lebensweg und setzte sich dort tagelang fest“, sagt Musa und pflegt den Fremden gesund, auch, indem er ihn wie in „1001 Nacht“ mit Erzählungen am Leben zu halten scheint.
Die Insel Elephanta vor Mumbai – heute übrigens Unesco-Weltkulturerbe – ist in der Geschichte kein exotisches Paradies, sondern wird als struppig und grau beschrieben. Also kein Ort, der sich bezwingen lässt, erst recht nicht von den beiden Hauptfiguren, die alles andere als abenteuerlustige Haudegen sind. Die Männer haben sich verirrt, auf Elephanta und auch im Leben, so scheint es.
Der artige Norddeutsche Niebuhr soll auf seiner Expedition für seinen Auftraggeber eigentlich Beweisstücke für den Wahrheitsgehalt der biblischen Geschichten finden. Auf Elephanta stellt er aber desillusioniert fest: „Ich hasse die Religion.“ Diesen Carsten Niebuhr und seine Forschungsreise im Auftrag des dänischen Königs und eines Göttinger Orientalisten gab es wirklich.
Verstehen und nicht verstehen
Der persische Wissenschaftler Musa hingegen erhofft sich, in Arabien den Sinn aller Dinge zu finden. Immerhin kennt er schon alle zwanzig Wörter, die im Sanskrit „Sinn“ bedeuten können. Mit einem Hang zur Selbstdarstellung und Dramatik ausgestattet, flunkert er sich durch seine Geschichten. Auch Niebuhr ist letzten Endes auf der Suche nach Sinn.
Die Geschichte, mit der die 1966 geborene Wunnicke auch auf der Shortlist für den diesjährigen Deutschen Buchpreis stand, umfasst nur wenige Tage. Ein Buch wie ein Fiebertraum, verschnörkelt und leicht neben der Spur. Gerade im Miteinander der Figuren liegt die Kraft der Erzählung. Die präzisen Momentaufnahmen, in denen beschrieben wird, wie die beiden vom jeweils anderen irritiert sind, machen Freude. Die unterschiedlichen Weltanschauungen zeigen sich auch bei einem Blick in die Sterne. „Wir glotzen alle in denselben Himmel und sehen verschiedene Bilder“, sagt Niebuhr. So sieht er die Kassiopeia, während das gleiche Sternbild für Musa nur die bemalte Hand einer Frau ist.
Von diesen Momenten, in denen sich die zwei verstehen und irgendwie auch nicht, in denen sie die gleiche Welt anschauen und irgendwie auch wieder nicht, würde man gerne mehr lesen. Gerade dort kommt der hintergründige Witz und auch eine gewisse Situationskomik zur Geltung und manche Sätze sind von bestechender Klarheit. Oft setzt die Autorin aber auf langatmige Erzählungen. Auf die ausufernden Beschreibungen der Insel, der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Astronomie und mancher Legenden hätte man verzichten können.
„Die Dame mit der bemalten Hand“ von Christine Wunnicke,166 Seiten, 22 Euro, Berenberg.