Aachen : Außergewöhnliche Klänge begeistern das Publikum
Aachen Es war zwar nur ein Zufall, aber die lässig-optimistischen Klänge aus Leonard Bernsteins Ballettmusik „Fancy Free” passten sich nahtlos der derzeitigen Obama-Euphorie an.
Die bunt schillernde, extrem idiomatische Partitur hält sich zum Glück mit patriotischem Pathos zurück, verströmt aber eine Menge an unbekümmerter Aufbruchstimmung. Das kann auch als Spiegel der Aufwärtsentwicklung der Aachener Sinfoniekonzerte gesehen werden.
Das 5. Konzert konnte sich wiederum über zwei nahezu vollständig gefüllte Säle freuen. Trotz oder wegen der Gastdirigentin Keri-Lynn Wilson, die treue Besucher von ihrem ersten Auftritt im Eurogress vor zwei Jahren noch in bester Erinnerung behalten haben dürften.
Die junge, hochbegabte Kanadierin hatte das richtige Händchen für die messerscharf pointierten Miniaturen des Bernsteins-Balletts, die auch Eingang in den Kultfilm „On The Town” mit Gene Kelly und Frank Sinatra gefunden haben. Kolorit, Flair und Feeling eines liberalen „American Way of Life” bringen die Dirigentin und das gut disponierte Aachener Sinfonieorchester stilsicher zum Klingen.
Richtig exotisch ging es danach in „Nola” zu, einem Konzert für verschiedene Flöten und Streichorchester von Benjamin Yusupov, dem bekanntesten Komponisten Tadschikistans. Gewidmet ist das Werk dem vielseitigen Schweizer Flötisten Matthias Ziegler, der neben seiner großen Flöte auch eine Bassflöte und eine Kontrabassflöte mitbrachte. Unhandliche Ungetüme, denen Ziegler mit beachtlichem Raffinement ungewöhnlich originelle Klangfarben entlockte. Die verwendeten Techniken - Überblas-Effekte, Flageolett-Töne, Mehrklänge - sind zwar aus der zeitgenössischen Musik hinreichend bekannt.
Durch die Verwendung vor allem der Kontrabassflöte ergeben sich freilich wirklich neuartige Eindrücke. Die spieltechnischen und klanglichen Finessen bleiben aber stets einer leicht verdaulichen, in keinem Takt verschreckenden Ästhetik verhaftet. Dass jedoch ein, wenn auch „zahmes”, Beispiel der Neuen Musik Begeisterungsstürme entlocken kann, woran natürlich der brillante Solist maßgeblich beteiligt war, zeigt immerhin, dass auch Außergewöhnliches auf interessierte Ohren bei einem städtischen Konzertpublikum stoßen kann. Zur Belohung folgte nach der Pause als Zugstück Antonin Dvoráks Symphonie „Aus der Neuen Welt”.
Dvoráks prachtvolle Botschaft an seine böhmische Heimat aus dem ebenso fernen wie fremden New York, geradezu überfrachtet mit melodischen Kostbarkeiten, wie sie nur Dvorák einfielen, gestaltete Keri-Lynn Wilson mit viel Herzblut, aber auch mit dem nötigen distanzierten Kalkül, um die Höhepunkte klanglich unter Kontrolle und die beachtlichen formalen Dimensionen zusammenhalten zu können.
Begeisterter Beifall für ein interessantes Konzert mit einer Dirigentin, die mittlerweile zu den Publikumslieblingen des Aachener Konzertlebens gehört.