Aachen : Auf der Suche nach einem neuen Job
Aachen Der 1. Januar 2004 war einer der schwärzesten Tage im Leben von Volker Henning, es war der Tag, an dem sein Arbeitgeber ihm mitteilte, dass er nicht mehr gebraucht wird - betriebsbedingte Kündigung. Von einem auf den anderen Tag war der 45-jährige Aachener Bauingenieur arbeitslos.
Durch die Dauerkrise im Baugewerbe musste sein damaliger Arbeitgeber wenig lukrative Unternehmensbereiche schließen. „Ich konnte das sogar verstehen, so bitter es auch war”, erzählt der Bauingenieur, der an der FH Aachen studiert hat.
Henning war überzeugt, bei seiner Qualifikation und seiner Erfahrung schnell wieder einen neuen Job zu finden. Schließlich war er an großen Bauprojekten, unter anderem dem Aachener Ludwig Forum oder der Errichtung eines großen Hochregallagers für ein hiesiges Möbelhaus
maßgeblich beteiligt gewesen und kann jede Menge Erfahrung als Bauleiter vom Schlüsselfertigbau über den Umbau bis zum Ingenieurbau vorweisen. „So etwas zählt doch, dachte ich vor einem Jahr noch voller Optimismus.” Die Realität lehrte ihn eines Besseren, es hagelte Absagen. In der krisengeschüttelten Baubranche sind offene Stellen rar. Doch Henning hörte auch immer wieder: Er sei zu alt und überqualifiziert!
Partner wichtig
Seine anfängliche Zuversicht wich dem Gefühl, gescheitert zu sein. Und immer deutlicher wurde dem dreifachen Vater bewusst, was es heißt arbeitslos zu sein. „Das Gefühl, die Familie nicht mehr wie gewohnt versorgen zu können und im Beruf nicht mehr gebraucht zu werden, wünsche ich keinem. Als Bauleiter ist man es gewohnt, auf immer wieder geänderte Situationen schnell zu reagieren und selbst für scheinbar aussichtslose Lagen eine Lösung zu finden. Doch für diese Lage hatte ich keine Lösung. Es ist ein Gefühl, als ob jemand einem den Boden unter den Füßen wegzieht und man keine Chance hat, sich irgendwo festzuhalten. Wenn man dann nicht in einer sehr stabilen Partnerschaft lebt, in der der Partner in der Lage ist, einiges aufzufangen, kann man schon komplett abstürzen”, blickt Henning zurück.
Doch besonders belastete Henning, dass seine Kinder (18, 13 und fünf Jahre) die neue Situation ebenfalls drastisch zu spüren bekommen. Der älteste Sohn besucht das Gymnasium, will demnächst sein Abitur machen. Kürzlich stand das Thema Klassenfahrt an, eine Woche Skifahren sollte es sein. „Bisher war es selbstverständlich, dass wir unseren Kindern so etwas ebenso wie beispielsweise die angesagten Klamotten, ein wichtiges Thema für unsere 13-Jährige, ermöglichen. Heute müssen wir ernsthaft überlegen, ob und wie wir das finanzieren und auf was wir alternativ verzichten. Die Kinder sollen nicht unter meiner Situation leiden müssen.”
Trotz der vielen Absagen hat Volker Henning den Kopf nicht in den Sand gesteckt, langes Nichtstun liegt ihm nicht. Immer wieder suchte er das Gespräch mit seinem Arbeitsberater, der ihm aber auch keine Stelle als Bauingenieur vermitteln konnte. Aber eine Alternative anbot: Gemeinsam mit dem mibeg Institut aus Aachen hat die Agentur für Arbeit eine Qualifizierungsmaßnahme für über 45-jährige Führungskräfte entwickelt.
Der zehnmonatige Kurs „Business Consultant” gibt eine Jobgarantie, das heißt, nach der qualifizierten Abschlussprüfung zum Projektmanager/managerin werden alle Teilnehmer wieder aktiv im Berufsleben stehen. Ein Angebot, das Henning dankbar aufgriff. Zuvor musste er aber in einem harten Auswahlverfahren in Form eines Assessment-Centers seine Eignung das Projekt unter Beweis stellen.
Seit Oktober arbeitet er mit den 16 anderen hochqualifizierten Führungskräften - darunter Banker, Logistiker, IT-Fachleute, Controller, Betriebswirte und Ingenieure verschiedenster Fachrichtungen - täglich an seinem Neustart. „Es ist ein gute Erfahrung, mit solchen Hochkarätern zusammenzuarbeiten. Zum einen, weil man sieht, dass man nicht alleine ist und zum anderen, weil man wieder eine Aufgabe hat, die man mit Menschen aus den unterschiedlichen Branchen bearbeiten kann. Der modular aufgebaute Kurs vermittelt nicht ausschließlich theoretische Grundlagen etwa in Organisationstheorie und Projektmanagement, sondern im Mittelpunkt steht die aktive Arbeit an einem selbst gewählten Projekt”, berichtet Henning.
Zuversicht gestärkt
Entstanden ist dabei „Pilot”, ein Netzwerk von Führungskräften, die sich auf Projektmanagement spezialisiert haben. „Heute stellen wir uns Unternehmen über die von uns entwickelte Internetseite und einer Broschüre mit Kurzportraits aller Teilnehmer als Berater, Consultants und natürlich in unseren erlernten Berufen dauerhaft oder für die Abwicklung eines Projektes zur Verfügung. Wir stellen uns vor, auch andere Führungskräfte, die in einer ähnlichen Situation wie wir sind oder die eine neue Herausforderung suchen, ebenfalls auf diese Art zu vermarkten”, erläutert Henning das Projekt, von dessen Qualität und Leistung sich Unternehmen, die qualifizierte Führungskräfte suchen, sowie andere Interessierte überzeugen können. Die bisherige Zeit in der Qualifizierungsmaßnahme haben bei Henning die Zuversicht auf eine neue berufliche Herausforderung wieder gestärkt. „Ich weiß jetzt, dass es weitergeht und ich nicht zum alten Eisen gehöre!”