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Mönchengladbach: Alle paar Minuten ruckelt hier ein Oldtimer ins Bild

Mönchengladbach : Alle paar Minuten ruckelt hier ein Oldtimer ins Bild

Die Musiker retten den Abend. Ja, wenn die dicke Mamma Brenda Boykin ihre Hüften swingen lässt und über dem perfekten Sound der Band ihre wunderbar schwarze Stimme von Liebe und Verzweiflung singt, ein in allen Schattierungen tönendes Reibeisen, dann ist man hingerissen vom Charme des Sujets: die 30er Jahre im Amerika der Depression, der Wiege des Jazz.

In „Sweet and Lowdown” hat Woody Allen Ende der 90er jener Zeit in Person des „zweitbesten Gitarristen der Welt” Emmet Ray ein süßes und schwermütiges filmisches Denkmal gesetzt.

Für das Theater Krefeld/Mönchengladbach sicherte sich Matthias Kniesbeck die Uraufführungsrechte und führte Regie. Wären die ausgezeichneten Musiker nicht, man müsste von einem Debakel berichten.

Wie hypnotisiert von der in sich schon sperrigen filmischen Vorlage verstrickt Kniesbeck sich in der Fülle von Schnitten, Handlungsorten, Personen, die in einer Art Dokudrama das tragische Leben eines Musikers verhandeln, der zwischen Genialität und Mittelmaß durchs Leben torkelt. Unfähig, sich seine Sehnsüchte einzugestehen oder stabile Bindungen einzugehen, fehlt diesem Emmet Ray schlicht Gefühl.

In aufwändig nostalgische Kostüme (Heike Hofmann) steckt Kniesbeck die Personen, die meist profillos über die Bühne irren. Auf der Bühne selbst (Monika Gora) wandern ununterbrochen große graue Pappwände durch die Gegend, öffnen und schließen Tore; Drehbühne, Hubpodeste sind im Dauereinsatz.

Das technische Personal rückt pausenlos Straßenlaternen und Tanksäulen, alle paar Minuten ruckelt ein formidabler Oldtimer per Pedalantrieb ins Bild und wieder ab. Und immer wieder künden von eingeschwenkter Großleinwand angebliche Jazz-Fachleute von heute von der Beinahe-Genialität des Hauptdarstellers.

Christoph Michael Schüchner verkörpert diese tragische Figur mit schmalem Schnäuzer und selbstverliebter Haarsträhne. Er vermag die Bühne nur selten mit Präsenz zu füllen, sein Gitarrespiel ist allenfalls für einen Schauspieler beachtlich, der begleitende Profi-Sound tut ihm nicht gut.

Denn jeder Ton ist live an diesem als „Jazzical” angepriesenen Abend. Und Theatermusiker Jochen Kilian hat neben einer famosen Musikauswahl exzellente Könner (allen voran Maurice Maurer, Geige, und Terrence Ngassa, Trompete) versammelt.

Schauspielerisches Können zeigen Ines Krug in der Rolle der Möchtegern-Journalistin Blanche und vor allem Esther Keil. Ihre Hattie, die stumme, kleine Landpomeranze, die den Egomanen Emmet bloß mit Kulleraugen und zarten Gesten zeitweise auf die ihm fremde Erde zurückholt, ist ganz wunderbar eindringlich.

Dass dagegen die Zuschauer nach der letzten Szene, die vom Umbaulärm hinterm Vorhang überdeckt wird, nicht einmal wissen, dass sie klatschen sollen, ist kennzeichnend für die Qualität der Regie.