Berlin/Aachen : Aachener Architekten entwerfen „Topographie des Terrors”
Berlin/Aachen Prinz-Albrecht-Palais - in der NS-Zeit löste der Name Angst und Schrecken aus. Mehr als 15.000 Menschen wurden in die Zentralen von SS und Gestapo verschleppt. Auf dem Gelände in der Mitte Berlins öffnet nun eine neue Ausstellung - der Weg zu dieser „Topographie des Terrors” war lang und nicht ohne Skandale.
Es war die Zentrale des Nazi-Terrors, in ihren Kellern wurden tausende Menschen verhört, gequält, gefoltert: Das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) im Zentrum Berlins zählte zu den schlimmsten Adressen im Gewaltsystem der Nationalsozialisten. Wo sich heute Niederkirchner- und Wilhelmstraße kreuzen, planten einst Reinhard Heydrich und Heinrich Himmler den Holocaust.
Ein weites Feld öffnet sich über den wenigen Resten des ehemaligen Gestapo-Hauptquartiers und des Prinz-Albrecht-Palais, ein grau- silberner Pavillon erhebt sich in der Mitte. Im Neubau wird am Donnerstag die Dauerausstellung zur „Topographie des Terrors” von Bundespräsident Horst Köhler eröffnet , ab Freitag ist das Gelände dann wieder für die Allgemeinheit zugänglich.
Pavillonartiger Baukörper
Der Entwurf stammt von dem Aachener Architekten-Ehepaar Heinz W. Hallmann und Ursula Wilms. Die gebürtige Erkelenzerin arbeitet bei dem Berliner Architekturbüro Heinle, Wischer und Partner. Hallmann war bis zu seiner Pensionierung 2005 Professor für Landschaftsarchitektur und Landschaftsbau an der TU Berlin. Ihr Entwurf überzeugte die Jury vor allem durch die bewusste Einfachheit, mit der sie das Problem lösten. Statt eines eindrucksvollen, spektakulären Baus wählten sie einen schlichten, quadratischen, paviillonartigen Baukörper, der die Ausstellung in Szene setzt und nicht sich selbst. Kargheit und Nüchternheit bestimmen auch das von Hallmann gestaltete Gelände ringsum.
„Eine offene Narbe, kein Stadtpark, kein lieblicher Platz”, so beschreibt es Andreas Nachama, Direktor des Dokumentationszentrum. Eine schroffe Steinlandschaft legt sich um das Gebäude. Im Süden steht ein Wäldchen, im Norden weitet sich der Blick über einen 200 Meter langen Mauerrest zum einstigen Reichsluftfahrtministerium Hermann Görings. „Hier treffen das Dritte Reich und seine sichtbaren Folgen wie kaum woanders zusammen”, sagt der Historiker.
Nachama gehörte zur Bürgerinitiative, die 1987 das Gelände als provisorischen Informationsort erschlossen hatte. Bisher zeichneten Texttafeln unter offenem Himmel entlang der einstigen Grundmauer die Bedeutung des Areals nach. Mehr als eine halbe Million Besucher suchen jedes Jahr in dieser Stätte der Täter nach Spuren des NS-Terrors. Die Ruinen von Hitlers Reichskanzlei, 750 Meter Luftlinie entfernt, wurden nach dem Krieg abgetragen, die „Topographie” zählt zu den bestbesuchten Erinnerungsorten in Berlin.
Schon vor 15 Jahren gab es Pläne, das Provisorium zu festigen. 2004 war nach einem Entwurf des Schweizer Architekten Peter Zumthor ein Rohbau entstanden. Doch der Plan für eine filigrane Fassade mit Betonstäben erwies sich als technisch zu kompliziert, Kosten explodierten, das Projekt verhedderte sich im Gestrüpp der Bauverwaltung - und wurde gestoppt. Von den einst geplanten Kosten von 38,8 Millionen Euro wurden 13 Millionen in den Sand gesetzt. Mit 25 Millionen Euro vom Bund und dem Land Berlin entstand dann nach Plänen von Wilms und Hallmann der 1800 Quadratmeter große Neubau.
Unter dem Dach des Dokumentationszentrums hängen im Obergeschoss die Informationstafeln zum NS-Massenmord. Im Souterrain haben die Besucher eine öffentliche Bibliothek mit rund 27000 Bänden und andere Medien zum Holocaust zur Verfügung. Die Räume sind um einen Innenhof mit Wasserbecken gebaut.
Die Ausstellung zeigt Dokumente des NS-Terrors, Fotos der Täter um Himmler, die Mordpläne, die Vollstreckung in den Lagern, auf den Straßen Osteuropas und in den Folterkellern nur wenige Meter entfernt. „Die Besucher sollen begreifen, woher die Täter kamen, die gebildete Leute und promovierte Juristen waren”, sagt Nachama. Täter waren Männer wie der promovierte Jurist Erich Ehrlinger, der zu den mehr als 200 RSHA-Führungskräften gehörte und Feder führend am Genozid beteiligt war. Ehrlinger, der im Baltikum den Massenmord gegen die Juden leitete, wurde nach dem Krieg Chef eines Autohauses in Karlsruhe. 1958 wurde er zu zwölf Jahren Haft verurteilt, kam aber 1965 wieder frei. So zeigt die Ausstellung auch den Umgang mit den NS-Tätern im Nachkriegs-Deutschland.Von den mehr als 200 RSHA-Tätern wurden etwas mehr als ein Dutzend verurteilt. „Wadere Regimes zu ersetzen.”
Auf dem Gelände können die Besucher auf 15 Stationen entlang der einstigen Kellermauern, vorbei am Autoeingang in den Hof des Prinz-Albrecht-Palais´ der Wirkung der einstigen SS- und Gesta-po-Zentrale auf die Stadt nachspüren. Wo die Berliner bis in die 70er Jahre für ein paar Mark mit dem Auto für den Führerschein üben konnten, ist jetzt ein Wald gewachsen.
Die aufgeschütteten Asphaltwege des Autodroms hat Hallmann nicht abreißen lassen: Sie sind auch ein Bild für den Umgang mit Geschichte.