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Aachen: 30-Jährige haben es nicht leicht

Aachen : 30-Jährige haben es nicht leicht

Deutschlands 30-Jährige sind Spätentwickler. Statt zu heiraten, eine Familie zu gründen oder die Karriereleiter empor zu klettern, sind viele von ihnen in diesem Alter nicht einmal im Berufsleben angekommen. Damit entsprechen sie nicht mehr den Erwartungen, die Gesellschaft und Forschung lange Zeit an Erwachsene stellten.

Zu diesem Ergebnis kommt Günter Mey, Entwicklungspsychologe und Identitätsforscher an der Technischen Universität Berlin. Mit den sich aus dieser „Fehlentwicklung” ergebenden Problemen lasse man die 30-Jährigen jedoch allein: „Es gibt nur wenig Verständnis für die Unsicherheit, Fragen und Ängste dieser Altersklasse”, kritisiert Mey.

Wissenschaftler ignorierten die „kritischen Jahre” vom 30. bis zum 35 Lebensjahr sogar völlig. Augenfälligster Beweis: Laut aktuellem Lehrbuch „Entwicklungspsychologie” endet das frühe Erwachsenenalter mit 29, das Erwachsenenalter beginnt dagegen erst mit 35. Mey plädiert dafür, sich zukünftig intensiver mit den Menschen in den fehlenden sechs Jahren zu beschäftigen.

Bisher geschähe dies nur in der Literatur. Mey verweist auf das bei Rowohlt erschienene Sachbuch der Düsseldorfer Autoren Kathrin Lenzer und Philipp Holstein. „30 - Bis hierher und wie weiter?” beschäftige sich unter anderem beispielhaft mit dem verzögerten Abschied von der Jugend und dem späten Eintritt in das Erwachsenenleben.

Viele Häppchen

„Ich bin zu jung, um so alt zu”, zitiert das Autorenteam Lenzer/Holstein im Vorwort aus dem Roman „Die Korrekturen” von Jonathan Franzen. Besser lässt sich die Situation vieler 30-Jähriger wohl nicht auf den Punkt bringen, jedenfalls nicht in dieser Kürze. Lenzer/Holstein holen da schon weiter aus, verpacken das Thema jedoch in sehr leserfreundlichen Dosen. Viele Häppchen, die man gut und gerne auch mal zwischendurch zu sich nehmen kann.

Das Beste aber: Hier wird nicht neunmalklug der Zeigefinger erhoben, sondern wohltuend unkompliziert aus dem Leben erzählt, das manchmal eben doch so furchtbar kompliziert ist - nicht nur für die 30-Jährigen, weshalb sich das Buch auch für alle anderen Jahrgänge eignet.

Hirn, Herz, Hormone, Haut & Haar - hinter diesen vier Kapiteln haben die Autoren ihre Episoden versteckt, dazu gibt es diverse Illustrationen. „30 wird man - vor allem im Kopf. Dort empfangen und verarbeiten wir die Zeichen, die uns sagen: Du musst erwachsen werden, Verantwortung übernehmen, dein Leben ändern. Und wo fangen wir an?”, fragt das Autorenduo. Identitätsforscher Mey: „Das Buch schildert die Lebenswelt der 30-Jährigen und macht deutlich, dass diese Altersgruppe nicht mehr dem traditionellen Muster eines Erwachsenen entspricht.”