Karlo Clever : Mit einer Waage Geld verdienen
Kabul Kaum Geld, wenig zu essen, oft keine Heizung: Vielen Menschen im Land Afghanistan geht es schlecht. Oft arbeiten auch die Kinder. Doch es gibt Orte, an denen sie ihre Sorgen vergessen.
Ali steht jeden Tag mit seiner Waage vor der prächtigen Blauen Moschee. Die befindet sich in der Stadt Masar-i Sharif im asiatischen Land Afghanistan. Wer Ali ein bisschen Geld gibt, kann sich auf die Waage stellen und das Gewicht erfahren. Denn zu Hause haben viele Leute keine Waage.
Statt Menschen zu wiegen, würde Ali nach der Schule lieber Fernsehen gucken oder draußen toben. „Am liebsten spiele ich eigentlich Fußball“, erzählt der Junge, der sein Alter auf 12 oder 13 Jahre schätzt. „Aber dafür habe ich fast nie Zeit.“
Oft hungrig ins Bett
Ali und seine Familie sind arm. Das geht vielen Menschen in Afghanistan so, denn das Land gehört zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. Ali arbeitet, damit er und seine Geschwister etwas zu essen haben. Oder damit die Familie die kleine Wohnung heizen kann, denn der Winter dort ist bitterkalt.
Meistens aber ist trotz der Arbeit nicht genug Geld da. Oft gingen alle hungrig ins Bett, erzählt Ali. Seitdem die Gruppe der Taliban vor anderthalb Jahren die Macht in dem Land übernommen hat, hat es Alis Familie sogar noch schwerer als vorher.
Die Taliban-Regierung verstößt gegen Menschenrechte, insbesondere gegen die Rechte von Mädchen und Frauen. So dürfen Frauen dort nicht mehr studieren und ältere Mädchen keine Schule mehr besuchen. Deswegen wollen viele Länder keine Waren mehr nach Afghanistan liefern und nicht mehr mit der Regierung zusammenarbeiten.
Darunter leidet die Bevölkerung, da nun viele Menschen ihre Arbeit verloren haben. Banken können deswegen oft kein Geld mehr herausgeben. Im Land sieht man überall Kinder, die Schuhe putzen, Kaugummis verkaufen oder eben auf der Straße wiegen. Das gab es auch schon vor der Taliban-Herrschaft. „Seit den Taliban verdiene ich aber viel weniger, da die Menschen kein Geld mehr haben“, erzählt Ali.
Es gibt aber auch Orte in Afghanistan, an denen Kinder ihre Probleme für einige Stunden vergessen können. In einem kleinen Kinderzirkus in der Hauptstadt Kabul etwa lernen Jungen und Mädchen Kunststücke. Auf einem bunten afghanischen Teppich in einem Hinterhof üben sie für kleine Shows.
Bezahlen müssen die Kinder nichts für den Unterricht. Häufig tritt die Zirkustruppe in Schulen auf, manchmal sogar in Fernseh-Shows. „Ich möchte den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern“, sagt die Grundschülerin Madia, die seit fast drei Jahren dabei ist. „Deswegen bin ich gerne hier.“
Auch im Zirkus haben sich die Dinge verändert. Zirkusdirektor Hamid macht sich Sorgen, dass die Taliban nicht wollen, dass Mädchen und Jungen gemeinsam lernen. Auch die Shows sind weniger geworden. Weitermachen will er mit seinem Zirkus aber, solange es geht. „Jeder sollte die Chance haben, Kunst zu machen“, sagt der Zirkusdirektor. „Egal ob arm oder reich.“