Aachen : Maria und Josef reisen durch die Gemeinde und suchen eine Herbege
Aachen „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt.
Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.“ So beginnt die biblische Weihnachtsgeschichte in der neu bearbeiteten Lutherbibel von 2017.
Laut Google-Maps liegen Nazareth und Bethlehem nur rund 18 Kilometer auseinander — und doch ist Marias und Josefs Reise eine besondere. Suchen sie doch in Bethlehem vergeblich eine Herberge, so dass die hochschwangere Maria schließlich ihr Kind — Jesus — in einem Stall zwischen Ochs und Esel auf die Welt bringt. Von der Aachener Emmaus-Kirche aus werden Maria und Josef ebenfalls auf Herbergssuche unterwegs sein, in diesem Jahr zum vierten Mal.
Sie reisen nicht mit, sondern in einem Koffer und haben einen schon etwas abgeliebten Esel dabei. Bei den Besuchen in heimischen Wohnzimmern haben die gefilzten Figuren schon einiges erlebt, was die Gastgeber in einem Buch festhalten, erzählt Pfarrerin Monica Schreiber. „Sie wurden schon mit Hausmusik empfangen, einmal sind sie mitten in einen Wasserrohrbruch geraten. Andere Gastgeber erinnerten sich beim Besuch der Reisenden an eigene Fluchterfahrungen — sei es aus der DDR oder als Vertriebene nach dem Zweiten Weltkrieg. Maria und Josef waren aber auch schon eine Nacht im Zentrum für Soziale Arbeit, in dem viele unbegleitete minderjährige Geflüchtete eine Bleibe gefunden haben“, sagt Schreiber, während sie in dem Buch der vergangenen Jahre blättert.
Es ist so dick, dass es sich kaum mehr schließen lässt. Karten, Fotos, Sterne, Engel — die Gastgeber geben ihren Gästen gern etwas mit auf den weiteren Weg. „Ein Kind hat mal seinen Schnuller in den Koffer gelegt, damit das Christkind nicht weinen muss, wenn es auf die Welt gekommen ist“, erzählt Schreiber weiter. Auch der Esel war nicht von Anfang an dabei. „Es ist das alte Stofftier eines Gemeindemitglieds, das Maria den Weg erleichtern sollte.“
Kommen nicht mit leeren Händen
Aber auch Maria und Josef kommen nicht mit leeren Händen: Zur Anregung bringen sie eine Kinderbibel, einen Vorschlag für eine Andacht, besinnliche Texte für Erwachsene, ein Bilderbuch für Kleinkinder sowie ein Liederbuch mit. „Vielen Gastgebern gefällt, dass sie zu Hause, in der Familie einen christlichen Impuls für die Adventszeit bekommen“, erklärt Schreiber. „Sich ein wenig Zeit nehmen, gemeinsam etwas Besinnliches machen in der meist wenig besinnlichen Zeit.“
Auch deshalb schicken die Kinder der evangelischen Kita am Kupferofen Maria und Josef im Familiengottesdienst am 1. Advent in der Emmaus-Kirche bereits zum vierten Mal auf die Reise. „Eigentlich wollte ich die Aktion nur einmal machen, aber in den darauffolgenden beiden Jahren haben so viele nach dem Koffer gefragt, dass ich in diesem Jahr den Adventskoffer von vornherein eingeplant habe“, berichtet Schreiber schmunzelnd.
Alle, die mitmachen wollen, melden sich im Vorfeld bei Pfarrerin Schreiber an. Dabei ist es egal, ob die Familien evangelisch oder katholisch sind. In jedem Haushalt bleibt er während der Adventszeit eine Nacht und wird dann zur nächsten Herberge gebracht. Manchmal bleiben die Kofferboten noch ein wenig, bekommen mal Plätzchen oder Waffeln angeboten, man lernt sich kennen. Manchmal gehen sie einfach wieder nach Hause. „Es gibt kaum Verpflichtungen. Die Gastgeber müssen lediglich dafür sorgen, dass der Koffer in der neuen Herberge ankommt. Aber gerade deshalb hat sich bereits vieles ergeben“, freut sich Schreiber, dass die Menschen mit und durch den Koffer zusammenwachsen.
Heiligabend kommen Maria und Josef schließlich in der Emmauskirche an, in der bereits Schafe, Hirten und Engel an der Krippe auf sie warten, bevor es heißt: „Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe.“