Berlin : Zukunft der ZVS: Von der Verteilung des Mangels zur Servicestelle
Berlin Mehr als 30 Jahre verteilte die Dortmunder Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen den Mangel quer durch die Republik. Jetzt bekommt die Behörde, die Millionen von Schülern und Studenten eher unter ihrer Abkürzung ZVS kennen, eine neue Aufgabe.
Als Stiftung des öffentlichen Rechts soll sie künftig wie eine „Servicestelle” Studienbewerber und Hochschulen zu den verschiedenen Studienangeboten und den immer komplizierter werdenden Zulassungsregeln beraten.
Mit dem langsamen Auslaufen der bisherigen Massenverteilung durch den ZVS-Computer, der Semester für Semester die Bewerbungen der Abiturienten in den begehrten Numerus-Clausus-Fächern Medizin, Psychologie oder Biologie nach Noten und Wartezeiten sichtete, ist der Mangel an Studienplätzen allerdings nicht behoben.
Vor gut drei Jahren verständigten sich Bund und Länder auf ein neues Zulassungsrecht. Es sieht vor, dass sich die Hochschulen in den NC- Fächern 60 Prozent ihrer Studienanfänger selbst aussuchen können.
Hinzu kommt, dass sich die Länder mit der Föderalismusreform ein Abweichungsrecht von den bisher bundeseinheitlichen Zulassungsregeln erstritten haben. Baden-Württemberg will den Hochschulen die Auswahl in NC-Fächern sogar künftig komplett überlassen, in anderen Ländern wird über eine Erhöhung der Auswahlquote diskutiert.
„Wegen der abnehmenden Bedeutung des zentralen Vergabeverfahrens steht eine Neuorientierung der ZVS an”, heißt es in der Vorlage der Kultusministerkonferenz.
Doch mit dem neuen Zulassungssystem kamen auch neue Probleme. Nicht nur die Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses, Ulla Burchardt (SPD), spricht von ” Wirrwarr” und „Chaos”. Viele Abiturienten haben bereits zum Wintersemesters 2006/2007 selbst die Folgen zu spüren bekommen: von Hochschule zu Hochschule unterschiedliche Verfahren, kaum noch überschaubare bürokratische Hürden und Gebührenforderungen für Auswahlgespräche und Tests.
Im Schnitt sind 50 Euro Gebühr nur für die Teilnahme am neuen Auswahlsystem fällig. Wer sich an fünf Hochschulen bewarb, war erst mal um 250 Euro ärmer.
Doch schlimmer wiegt aus Sicht mancher Kultusminister die Blockade der begehrten Mangelplätze durch Mehrfachbewerbungen und - einschreibungen. Weil viele Bewerber einmal zugesagte Plätze nicht rechtzeitig absagten oder die Hochschulen den Zulassungsbescheid oft nur langsam bearbeiten, sind umständliche Nachrückverfahren auch noch während des Semesters fällig. Oder der Platz im NC-Fach bleibt einfach frei.
Befürchtet wird, dass an einigen Hochschulorten dies von den Professoren bewusst oder billigend in Kauf genommen wird, weil es sich natürlich mit weniger Studenten leichter arbeiten lässt und mancher die mit den Kapazitätsverordnungen vorgeschriebenen Platzzahlen ohnehin als Zumutung und Überlastung empfindet. Ein ZVS- Meldesystem über die erfolgte Einschreibung soll Blockaden freier Plätze künftig vermeiden. Die Beteiligung der Hochschule bleibt jedoch freiwillig.
Zum Wintersemester 2006/2007 sind an den deutschen Hochschulen die Studienanfängerzahlen rückläufig - obwohl es mehr Abiturienten gibt. Experten führen dies zum einen auf den verschärften NC nicht nur in den klassischen Mangelfächern zurück. In vielen Ländern können die Hochschulen inzwischen eigene örtliche Zulassungsbeschränkungen erlassen. Hinzu kommt eine rückläufige Studienneigung.
Die ZVS-Gründung im Jahr 1973 war Folge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichtes. Die höchsten deutschen Richter hatten das damals völlig uneinheitliche Zulassungssystem als chaotisch gerügt. Untersagt wurde fortan unter Hinweis auf das vom Grundgesetz geschützte Recht des freien Zugangs zum Beruf „unzulässige Niveaupflege” durch Freilassen von Studienplätzen.
Die Hochschulen wurden zu einer „erschöpfenden Nutzung” ihrer Kapazitäten gezwungen und Bund und Länder aufgefordert, für ein geordnetes Zulassungssystem zu sorgen. 21 Mal haben die Karlsruher Richter inzwischen mit Folgeurteilen ihre Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1972 bestätigt.