„Kajillionaire“ : Skurrilitäten im Schlabberlook
Aachen Das Multitalent Miranda July erzählt in „Kajillionaire“ von schrägen Schwindlern. Ein fast schon konventioneller Film.
Miranda July ein Multitalent zu nennen, ist nicht übertrieben. Die 46-jährige US-Amerikanerin ist eine bekannte Performance- und Konzept-Künstlerin, die (auch) aktuelle feministische Positionen vertritt, sie hat Bücher geschrieben („No one belongs here more than you“ etwa, eine Kurzgeschichtensammlung) und Musik gemacht.
Nicht zuletzt ist July aber auch eine Filmemacherin. Nach ihrem leicht durchgeknallten Debüt „Ich und du und alle die wir kennen“ (2005) und dem nachdenklichen Liebesfilm „The Future“ (2011) ist die schräge Familien- und Schwindler-Komödie „Kajillionaire“ schon fast konventionell: Eine sehr erwachsene Tochter entflieht in skurrilen Szenen den Fängen ihrer Trickbetrüger-Eltern.
Irritierend „normal“
Wenn die 26-jährige Old Dolio (Evan Rachel Wood, „Westworld“) mit absurd verdrehten „Silly Walks“ wie bei Monty Python am Zaun des Vermieters vorbeikriecht, um in ihrer Wohnung den Schaum des Tages aus der Wand einzufangen, dann ist das Kunstinstallation, Absurdes Theater und Surrealismus in einem – ziemlich schräg und vor allem komisch.

Die Eltern Theresa (kaum zu erkennen: Debra Winger) und Robert (Richard Jenkins) sind jede Minute damit beschäftigt, etwas zu ergaunern, Coupons auszunutzen und mit kleinen Betrügereien ein paar Dollar zu machen. Hemmungslos setzen sie dabei ihre einzige Tochter ein.
Diese abstruse Familienaufstellung wird zum Märchen, als die drei auf die einfältige Verkäuferin Melanie (Gina Rodriguez) treffen. Diese wirkt irritierend „normal“, nimmt aber zu gerne die Tochter-Rolle an, worauf Old Dolio aus dem Familien-Gefängnis ausbricht.
Schon die Schlabberklamotten und Trainingsanzüge sind einen Oscar wert: Die Familienmitglieder schlurfen wie Geister durch die Geschichte. Dazu ist Robert auch noch ein Aluhut-Träger mit Verfolgungswahn. Allerdings wirken in Miranda Julys Filmen die „normalen Leute“ noch irritierender. Das erinnert in der philosophischen Skurrilität teilweise an die Filme von Charlie Kaufman („Anomalisa“, „Adaption“, „Synecdoche, New York“) und Michel Gondry („Eternal sunshine of a spotless mind“, „Science of Sleep“, „Der Schaum der Tage“). Doch die seltsame Emanzipation von einer seltsamen Familie entwickelt sich in „Kajillionaire“ aus all den surrealen Momenten zu einer sehr ungewöhnlichen und berührenden Liebesgeschichte.
(Aachen: Apollo)
„Kajillionaire“ (USA 2019), Regie: Miranda July, mit Evan Rachel Wood, Gina Rodriguez, Richard Jenkins, Debra Winger, 105 Min., FSK: ab 0