„Der geheime Garten“ : Digitale Tricksereien und viel zu staunen
Aachen Hinter einem finsteren Schloss entdeckt Mary eine verborgene Welt. „Der geheime Garten“ verzaubert die Herzen.
„Der geheime Garten“ ist als Buch von Frances Hodgson Burnett (1849 - 1924, „Der kleine Lord“) und in den Verfilmungen überaus beliebt. Die Geschichte einer Waise aus Indien, die bei ihrem verschlossenen Onkel in einem unterkühlten Schloss landet und einen versteckten Garten entdeckt, berührt die Herzen. Nach der 1993er-Version von Agnieszka Holland, die viel Gewicht auf die Perspektive der Erwachsenen und aufwendige Kostüme legte, dabei aber eher an der Oberfläche blieb, verzaubert nun die vierte Umsetzung fürs Kino mit ansprechender digitaler Malerei.
Ein paar Jahrzehnte nach vorne verlegt der britische Regisseur Marc Munden die ansonsten werkgetreue Geschichte der Zehnjährigen Britin Mary Lennox (Dixie Egerickx), die 1947 nach dem Cholera-Tod der Eltern auf das abgelegene Landgut ihres Onkels Archibald (Colin Firth) in Yorkshire ziehen muss. Dort nimmt sie die strenge und unnahbare Mrs. Medlock (Julie Walters) in Empfang. Mary ist nach der überstürzten Umsiedlung und dem Verlust ihrer Eltern traumatisiert. Erste Blicke aufs nebelige Hochmoor und das Haus wirken wie im Horrorfilm. Dann ein dunkles Schloss mit einem trauernden Witwer und verschlossenen Räumen. Schon die Zimmer erscheinen hier fantastisch.
Die verwöhnte Mary ist zwar sehr wählerisch bei ihrem Essen und durchaus auch schnippisch, aber ihr großes Herz zeigt sich bei den Versuchen, schnell mit Mensch und Tier Freundschaft zu schließen. So bringen sie ein verwilderter Hund und ein Rotkehlchen in den wunderbaren Garten hinter einer überwucherten Mauer. Dort gesundet schließlich sogar Marys Cousin Colin (Edan Hayhurst), der bislang ein kümmerliches Dasein zwischen Bett und Rollstuhl gefristet hat. Nun wird er mit dem gemeinsamen neuen Freund Dickon (Amir Wilson) in die farbenprächtige Oase gerollt.
„Der geheime Garten“, diese wunderschöne, rührende und traurige Geschichte über den Umgang mit Verlust, begeistert in seiner neuesten Umsetzung als ein Film, in dem das Staunen nicht über die Erzählung vermittelt wird – man staunt selbst über die Bilder, die Tiere und die Welten. Von Marys Kleid mit einem Rautenmuster lösen sich Schmetterlinge und fliegen in den blauen Himmel. Pflanzen versperren den Weg oder verdorren bei schlechter Stimmung. Fantastisch sind nicht nur die Kostüme, sondern auch Räume und Perspektiven. Zwar spürt man von Anfang an, dass hier viel digital getrickst wurde, aber das dann so überzeugend, dass man sofort mit herumstöbern möchte in diesen Wäldern. Eine Welt, schön und gleichzeitig traurig, denn hier sind die kostbarsten Erinnerungen verborgen. Gleichzeitig wohnt diesem Ort aber auch eine heilende Kraft inne. Nur wer sich seinen Erinnerungen stellt und sie annimmt, kann in Frieden weiterleben, so eine wichtige Botschaft des Films, der vor allem auf der großen Leinwand gut rüberkommt.

Munden erzählt strikt aus der Perspektive der Kinder. Der jungen Hauptdarstellerin Dixie Egerickx glaubt man die neugierige Lebendigkeit ihrer Figur. Dazu hat sie noch mehr Gefühlslagen und Stimmungen drauf. Colin Firth („A Single Man“, ,,The King‘s Speech‘‘) spielt wieder einen Leidens-Trip, wie damals in „Die Liebe meines Lebens“ als ehemaliger Gefangener der Japaner beim Bau der Eisenbahn in Thailand.
(Aachen: Apollo, Cineplex, Eden; Alsdorf: Cinetower; Düren: Lumen; Erkelenz: Gloria)
„Der geheime Garten“ (Großbritannien/Frankreich 2020), Regie: Marc Munden, mit Dixie Egerickx, Colin Firth, Julie Walters, Edan Hayhurst, Amir Wilson, 100 Min., FSK: ab 6