Kleines Kulturzentrum : Im Kloster Wittem kann man die Seele auftanken
Das Kloster Wittem zwischen Aachen und Maastricht ist ein Ort der Ruhe und der Kultur. Das ist nicht zuletzt dem Engagement von drei Stiftungen zu verdanken.
Still fließt die Geul zwischen blumengesäumten Wiesen und grünen Hügeln. Hier hat die Zeit ihr Tempo verloren. Hier liegt das Kloster Wittem. Es bezeichnet sich selbst als „Pleisterplaats voor de Ziel“, was in etwa „ein Ort, an dem die Seele auftanken kann“ bedeutet.
Nur wenig ist hier allerdings noch so, wie man sich das Leben in einem Kloster vorstellt. Es schallen keine monotonen Mönchsgesänge über den Innenhof. Keine Nonnen huschen in schwarzen Kutten von Haus zu Haus. Stattdessen lädt das Kloster Gäste ein – zur meditativen Einkehr in die alte Barockkirche oder zu Lesungen, Konzerten und Vorträgen in die stilvolle Bibliothek.
„Wir haben hier für die Region Südlimburg ein kleines Kulturzentrum aufgebaut“, sagt Jef Brauers stolz, der sich um die Gäste kümmert. Der ehemalige Zeitungsredakteur vom „Limburg Dagblad“ ist Rentner und Mitglied der Stiftung „Cuulturfonds Wittem“, die zusammen mit zwei weiteren Stiftungen das Klosterleben mit Führungen und Veranstaltungen bereichert.
Von der Landstraße aus – die viel befahrene N 278 von Vaals über Gulpen nach Maastricht – sieht man den langgestreckten, dunkelgrauen Bau des Klosters. Stifter und Bauherr war Ferdinand Adolf von Plettenberg, der Kirche und Kloster zwischen 1729 und 1733 von dem westfälischen Barockmeister Conrad Schlaun in der protestantisch geprägten Gegend bauen ließ. Im gleichen Zeitraum entwarf Architekt Schlaun im nahen Eys auch die Sint Agathakerk.
Die Zeiten haben sich geändert
Zuerst bewohnten Kapuziner das Kloster, 1836 zogen Redemptoristen ein und erweiterten das geistliche Wirken um eine Ausbildungsstätte für angehende Priester. „Wittem war der drittgrößte Wallfahrtsort der Niederlande“, sagt Jef Brauers. Wenn Wallfahrts-Sonntag war, reichte der riesengroße Parkplatz vor dem Kloster nicht aus. „Überall im Ort standen Busse“, erinnert er sich.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Bereits 1968 wurde das renommierte Studienseminar aufgelöst. Auch Wallfahrten finden kaum noch statt. Den Ordensbrüdern hier geht es nicht viel anders als den meisten in anderen Orden. Auch sie haben Nachwuchsmangel. Neben vier Ordensbrüdern lebt noch eine Nonne in der riesigen Anlage sowie ein katholischer Pfarrer für die Gemeindearbeit. Wären nicht die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter, dann gäbe es keine Klosterbuchhandlung und keine kulturellen Veranstaltungen. Die Kirche ist übrigens nicht nur eine Klosterkirche, sondern auch Pfarrkirche für die kleinen Orte in der Nachbarschaft.
Doch sind Klöster noch immer Orte der Ruhe und Einkehr, ausgestattet mit sehenswerten Räumen. Von außen ist die Architektur der alten Barockkirche nicht zu erkennen, da bei Umbauarbeiten Ende des 19. Jahrhunderts die Fassade dem gesamten Klosterkomplex angepasst wurde. In die Barockkirche kann jeder Besucher – auch ohne Führung – durch den Haupteingang eintreten.
Der Hochaltar aus dunkelrotem Marmor und die aufwendige Deckenmalerei des limburgischen Künstlers Charles Eyck demonstrieren noch immer Prunk und Pracht. Beeindruckend ist die „Runde Kapelle“ mit ihrer üppigen Kassettendecke. Die blau- und goldfarbene Kuppel der Kapelle, die von acht prachtvollen Halbsäulen mit korinthischen Kapitellen getragen wird, hat in der Mitte eine Öffnung mit Blick in den Himmel. Dem Besucher fällt es nicht schwer nachzuvollziehen, dass hier das Phanteon in Paris Pate gestanden hat.
Veranstaltungen in der Klosterbibliothek
Direkt von dieser Kapelle geht es in den modernen Anbau der Anlage, vorbei an der Holzplastik des heiligen Gerardus, dem dieser Wallfahrtsort geweiht ist. Der Redemptorist Gerardus lebte Anfang des 18. Jahrhunderts in Süditalien. Der große moderne Kirchenraum wurde 1962 geschaffen, um der steigenden Anzahl der Pilger gerecht zu werden. Bei einer Führung kommt man auch in die Sakristei. Neben den Gewändern der Priester sind ein Bischofsstuhl und verschiedene kleine Holzaltäre zu sehen.
Danach geht es zum Refektorium und zur ehemaligen Klosterbibliothek. Als noch Priester ausgebildet wurden, reihten sich um die 80.000 Bücher in den Regalen auf drei Stockwerken. Grazile Wendeltreppen führen zu den einzelnen Etagen und unterstreichen den historischen Charme des Raumes. Mit der Schließung des Seminars wurden alle Bücher verkauft.
Der Raum verlor zunächst seine Bedeutung und Ausstrahlung. Doch mit Hilfe vieler Spender schmücken nun wieder mehrere tausend Bücher die Eichenholzregale. Zahlreiche ehrenamtliche Helfer haben mit ihrem Engagement die Raumakustik verbessert, für ansprechende Ausstattung gesorgt und somit den Grundstein für einen schönen Veranstaltungsort gelegt.
Mit Musik aus dem Iran, jüdischer Klezmermusik und einem internationalen Chortreffen will man in diesem Jahr besonders die Musikfreunde ansprechen. „Im vergangenen Jahr hatten wir rund 120 Veranstaltungen in der Bibliothek“, erzählt Jef Brauers. Er hofft, dass der Ort noch möglichst lange für Führungen und Veranstaltungen offen bleibt. In naher Zukunft – wann genau, ist ungewiss – sollen aus den ehemaligen Mönchzellen moderne Appartements für ältere Menschen entstehen.
„Aber in diesem Jahr ist das Kloster noch offen für alle“, betont er. Und das Gerardusbier, das in Gulpen nach altem Rezept gebraut wird, hält die Wittemer Klostertradition auf jeden Fall weiterhin aufrecht.