Aachen: Ein Prinz, ein Stern und eine Menge Hingabe

Aachen : Ein Prinz, ein Stern und eine Menge Hingabe

Den Wagen der Richtericher Prinzengarde erkennt man schon von weitem, es ist dieser bebende Wagen, der aussieht, als würde er jede Sekunde zusammenbrechen. Nicht weil er morsch wäre, sondern weil die Menschen, die darauf fahren, immerzu hüpfen, springen, tanzen, als gebe es kein Morgen mehr.

Regen? Mag ja sein. Aber auch für die Richtericher Prinzengarde ist das kein Grund, es während des Rosenmontagszuges nicht gewaltig krachen zu lassen. „Ein Stern, der Deinen Namen trägt” knallt aus den Lautsprechern, als der Wagen gefährlich schaukelnd in die Theaterstraße einbiegt.

Klar hat es genieselt und geregnet, aber herrje, der Zug hat trotzdem stattgefunden, und es war ein schöner Rosenmontagszug. Auch wegen der tausenden Menschen, die dann trotzdem an der Strecke gestanden, zugesehen und gejubelt haben. Knapp 200.000 will die Polizei gezählt haben. „Wahnsinn, toll, dass wenigstens Ihr gekommen seid”, ruft Wilm Lürken gegen Mittag von den Rathaustreppen runter. Lürken ist der Präsident des Ausschusses Aachener Karneval, er konnte zu diesem frühen Zeitpunkt ja noch nicht ahnen, dass der Markt am Nachmittag noch richtig voll werden würde.

Der eigentliche Wahnsinn hat sich mancher Orten allerdings schon vor dem Rosenmontagszug ereignet, 200 Meter Luftlinie vom Tivoli zum Beispiel, dort steht das kleine weiße Reihenhaus der Konings. Die Konings sind ein freundliches Ehepaar Mitte 30 und Mitglieder der Öcher Pöllebetzjere, einer Fußgruppe von 30, 40 Menschen, Zugnummer 63. Die Pöllebetzjere hatten in diesem Jahr Schwierigkeiten, einen Sponsor für geeignetes Wurfmaterial zu finden. Gefunden hat Erik Koning irgendwann einen Sponsor für Spielzeugautos aus Plastik, 40.000 Stück, die so aussehen wie Autos aus Überraschungseiern.

Die Autos wurden allerdings nicht als Ganze geliefert, sondern in Einzelteilen, weshalb Michaela und Erik Koning gemeinsam mit ein paar anderen Pöllebetzjere diese Einzelteile in nächtelanger Bastelei zu Spielzeugautos zusammengebaut haben. Zwei Achsen, Chassi, Dach. Am Ende haben sie 32.000 Stück geschafft, die sie jetzt johlend unters Volk bringen. 32.000!

Eine Form von Wahnsinn? „Das ist Wahnsinn”, sagt Erik Koning laut und lacht.

Im Grunde ist es diese totale Hingabe an die Sache, die den Zug erst zum Ereignis macht. Ohne Menschen, die das ganze Jahr hindurch unentgeltlich an Wagen oder Kostümen oder eben Wurfmaterial arbeiten, würde es keinen Zug und keinen Karneval geben. Man muss sich hin und wieder vergegenwärtigen, dass es auch diese Menschen sind, die jenseits aller Eitelkeiten die Gesellschaft durch ihr Engagement zusammenhalten. Da darf man Rosenmontag in der Tat auch mal ein Bier drauf trinken.

So ein Zug ist immer auch ein Musikwettstreit, wer die lautesten Lautsprecher hat, bekommt die meiste Aufmerksamkeit. Die Musik ist überall ähnlich, Stimmungslieder, was man eben zu Karneval so spielt, „Ein Stern” und so, nur die Noppeney-Garde fällt ein bisschen aus der Rolle. Als sie am Elisenbrunnen steht und eine kurze Wartezeit zu überbrücken hat, werden Märsche aus der Kaiserzeit vom Band gespielt, rumm-tatata-bumm-tatata. Manche wundern sich, manche freuen sich, und manche tanzen einfach weiter. Rumm-bumm.

Am Kaiserplatz steht Thomas Ebert auf dem Prinzenwagen und nimmt als Prinz den Zug ab wie ein General die Parade, sein Wagen macht sich als letzter auf den Weg. Jeder der vorüberziehenden Wagen und Gruppen erweist dem Prinzen zumindest einen Gruß, der Prinz grüßt jeden freundlich zurück, und obwohl er lächelt wie ein Bundesligatänzer, sieht er doch ein bisschen müde aus, was Wunder, die Session war ziemlich lang.

Seine Stimme war schon am Donnerstag etwas angegriffen, wahrscheinlich eine Erkältung, das Prinzendasein kann in manchen Momenten echten Sportsgeist erfordern. Der Wagen der KG Grün Weiß Lichtenbusch fährt vorbei, Zugnummer 108, drejmoel Oche Alaaf, es regnet, Thomas winkt und nippt an seinem Sektglas. Nur noch wenige Wagen, dann wird er sich endlich auf die Strecke machen können.

Halt´ durch, Thomas, es lohnt sich, möchte man ihm zurufen.