Washington : YouTube macht aus Amateuren Berufsfilmer: Matt tanzt um die Welt
Washington Der Amerikaner Matt Harding hätte die E-Mail fast gelöscht, die ihn zu einem der ersten Berufsfilmer des Internet- Videoportals YouTube machen sollte. Nachdem der 30-Jährige an jeder der 17 Stationen einer Weltreise einen kindlich anmutenden Tanz aufgeführt hatte und das Video im Internet millionenfach abgerufen worden war, quoll sein elektronisches Postfach im August 2005 fast über.
Und so hätte er die E-Mail der Kaugummifirma „Stride” fast als lästige Werbung abgetan: „Ich hätte nicht gedacht, dass mir jemand für meine Rumreiserei Geld bezahlen will”, sagt der ehemalige Erfinder von Computerspielen.
Harding zählt seither zu denjenigen, die mit ihren Kurzfilmen auf YouTube „15 Minuten Berühmtheit” im Sinne des US-Künstlers Andy Warhols erlangten und auch ein Einkommen erzielen. „Dancing Matt” reiste auf Kosten der Firma ein zweites Mal tanzend und filmend um die Welt - vier Millionen YouTube-Nutzer verfolgten seine Tour.
„Er war sehr kreativ und hatte das Glück, dass viele Firmen derzeit nach einem Weg suchen, sich auf YouTube zu platzieren”, sagt der Kommunikationswissenschaftler Steve Jones von der Universität Illinois. Die Wirtschaft suche verstärkt Kontakt zu amerikanischen Jugendlichen und jungen Erwachsene im Netz. Wer allerdings in der Masse der 65.000 täglich hoch geladenen Filme auf YouTube auffallen wolle, müsse früh einen Trend setzen, sagt Jones.
Das gelingt mitunter auf absurde Weise. Die Videokünstler Anthony Padilla und Ian Hecox (beide 19 Jahre alt), die sich gemeinsam „Smosh” nennen, haben die Titelmelodie der Kinderserie „Pokemon” filmisch eigenwillig umgesetzt. Mit 18 Millionen Aufrufen wurde dieser Beitrag das bislang zweitpopulärste Video in der YouTube- Geschichte. Heute verkaufen die Studenten der Universität von Carmichael (US-Bundesstaat Kalifornien) über ihre Homepage „Smosh” - Fanartikel und produzieren für die Internetfirma Liveuniverse.com zwei Videos monatlich.
Parodierten die Jungfilmer zunächst Fernsehserien wie die „Power Rangers” oder die „Ninja Turtles”, versuchten sich die Studenten zuletzt an zuweilen schrillen oder auch melancholisch anmutenden Kurzfilmen. „Wir arbeiten an ziemlich vielen Projekten gleichzeitig”, sagt Hecox. Mit Erfolg: Derzeit verhandeln beide unter anderem mit dem Musiksender MTV.
Auch der 20 Jahre alten Kellnerin Brooke Brodack aus dem US- Bundesstaat Connecticut gelang es, mit einem überdrehten Tanz zu einem Popsong über vier Millionen YouTube-Fans anzulocken. Prompt konnte sie im Juni 2006 einen Schauspieler-Vertrag mit einem Fernsehproduzenten unterschreiben.
Bei YouTube schwärmten Tausende von Nutzern in Kommentaren über den Charme von Matt Harding, der beispielsweise in einem Dorf in Ruanda 20 Kinder zum Tanzen brachte. In Myanmar in Südostasien lud ihn ein Lehrer ein, einen Tag Englisch zu unterrichten. 55 Länder lernte der 30-Jährige aus Seattle (US-Bundesstaat Washington) kennen - noch immer lebt er vom Honorar der Kaugummifirma. Derzeit verhandelt Harding über die Finanzierung einer dritten Weltreise - vielleicht sogar in den Irak, Iran oder nach Nordkorea.
Ob der Ruhm der YouTube-Stars von Dauer sein wird, bezweifeln Forscher wie Jones angesichts der Flut neuer Videos. Harding stört das wenig: Er feilt unabhängig von weiteren Weltreisen an seiner Tanztechnik. Ein Mal in der Woche geht er zum Stepptanz-Unterricht. „Ich dachte, es wäre an der Zeit.”