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Hamburg: Trauern per Mausklick: auch eine „Geschmacksfrage”

Hamburg : Trauern per Mausklick: auch eine „Geschmacksfrage”

Karl-Heinz wurde nur 46 Jahre alt. „Er war ein lebensfroher und humorvoller Mensch, mit dem man Pferde stehlen konnte”, schreiben die Hinterbliebenen auf einer Gedenkseite im Internet. Wer sie aufruft, hört Elvis Presleys Ballade „Always On My Mind” und erfährt, dass Karl-Heinz „immer einen coolen Spruch parat” hatte, gerne Rumpsteak mit Zwiebeln aß und Keyboarder in einer Band war.

Seine Geschwister haben diese Seite wie inzwischen viele andere Trauernde in Eigenregie gebastelt. Es gibt aber auch bereits kommerzielle Internet-Gedenkportale.

Als „größten virtuellen Friedhof im deutschsprachigen Internet” sieht sich etwa das Portal eMorial. Die beiden früheren Klassenkameraden Martin Kunz und Anton Stuckenberger wollten vor zwei Jahren „für einen verstorbenen Ex-Mitschüler im Internet etwas machen”, wie Kunz sagt. Heute hat ihr Portal 170.000 Einträge.

„Es ist schade, wenn von einem ausgefüllten Leben nur ein Grab und eine Schublade Fotos übrig bleiben”, sagt Kunz. Ein frei gestaltbares digitales „Luxusgrab” mit Bildern, Musik und Videos kostet bei Kunz und Stuckenberger 19 Euro, „eine Investition in die Ewigkeit”.

Noch sei seine Arbeit etwas für „Idealisten”, erst in einigen Jahren werde sich das Geschäftsmodell tragen, meint Kunz. In den Vereinigten Staaten ist das digitale Gedenken schon weiter entwickelt.

Der Gründer der Online-Jobbörse Monster.com, Jeff Taylor, ist im vergangenen Jahr mit Tributes.com in das Geschäft mit virtuellen Friedhöfen eingestiegen. Umgerechnet knapp drei Millionen Euro sind in das Projekt geflossen. „Die Frage ist nicht, ob das Geschäft explodieren wird, sondern wann”, sagte Taylor damals.

Auch das Online-Netzwerk Facebook, in dem sich überwiegend Studenten tummeln, hat bereits auf das Bedürfnis vieler Menschen nach einem digitalen Andenken reagiert: Profile verstorbener Nutzer werden zu Gedenkseiten mit strengen Zugangsregeln.

„Wenn jemand von uns geht, verlässt er nicht unsere Erinnerungen oder unser soziales Netzwerk”, schreibt Facebook-Sicherheitschef Max Kelly in einem Blogeintrag. Er hatte das Angebot angeregt, nachdem er seinen besten Freund bei einem Verkehrsunfall verlor und die Frage aufkam: „Was machen wir jetzt mit seinem Facebook-Profil?”

Gedichte, Bilder, Videos oder das Lieblingslied des Verstorbenen im Internet - „das ist ein Stück weit eine Geschmacksfrage”, sagt der Direktor des Kasseler Museums für Sepulkralkultur, Professor Reiner Sörries. Der Pfarrer erläutert aber: „Wenn Menschen glauben, das Internet sei ein Medium, mit dem sie ihre Trauer ausdrücken können, ist das für diese Menschen in Ordnung.”

Das Angebot werde besonders in solchen Fällen genutzt, „wo der Tod sehr betroffen macht” - beispielsweise bei gestorbenen Kindern, nach Amokläufen oder Naturkatastrophen mit vielen Toten. Zuletzt hatten im Internet auch viele Menschen ihre Trauer über den an einer Münchner S-Bahn-Haltestelle ermordeten Geschäftsmann Dominik Brunner zum Ausdruck gebracht.

Allerdings sei die Online-Trauer vorwiegend eine Sache jüngerer Menschen, sagt Sörries. „Die Generation, die jetzt Tote zu beklagen hat, ist noch nicht mit dem Internet aufgewachsen.”