Leipzig/München : Rocken statt zocken: Videospieler im Musik-Fieber
Leipzig/München Die Sängerin im schwarzen Top schlägt sich wacker, und die Jungs an Gitarre und Bass drücken konzentriert ihre Knöpfchen. Nur der Schlagzeuger hinkt hörbar hinterher.
Was Ende August auf der Games Convention in Leipzig galt, könnte in diesem Herbst und darüber hinaus bei vielen Konsolen-Fans das Motto sein: rocken statt zocken. Die Hersteller bringen jedenfalls reichlich neue Titel heraus, bei denen sich Starfantasien ausleben lassen sollen.
„Guitar Hero World Tour” heißt das Spiel, an dem sich in Leipzig längst nicht nur die erwähnten vier Messebesucher versucht haben. Activision veröffentlicht es Ende November in Deutschland - mit jeder Menge Songs zum Nachspielen im Paket. Auf der Website des Publishers wird dann aber etwa auch das neue Album der Rock-Giganten Metallica als Download speziell für „Guitar Hero” erhältlich sein. Das zeigt, welchen Stellenwert die Musik-Spiele bereits erreicht haben.
Seit einiger Zeit steht „Rock Band” von Electronic Arts für alle „großen” Konsolen in den Läden. Auch hierzu wurde auf der Games Convention geklampft, gesungen und gepost. Konami ruft im ersten Quartal 2009 die „Rock Revolution” aus. dtp hat, ebenfalls für Anfang 2009, den Wii-Titel „Musiic Party: Rock the House” angekündigt. Disney Interactive bringt dann „Ultimate Band” auf Wii und DS. Und Sega hat für die Wii und für Spieler, die eher auf südamerikanische Rhythmen stehen, Anfang Oktober „Samba de Amigo” veröffentlicht.
Im Grunde geht es bei den Musik-Spielen darum, zur richtigen Zeit die richtigen Knöpfe zu drücken. Der Clou zumindest bei „Rock Band”, „Guitar Hero” und „Rock Revolution” ist allerdings: Die Spieler müssen sich nicht damit begnügen, die Controller ihrer Konsolen zu malträtieren. Stattdessen gibt es nachgebildete Plastik-Instrumente.
Für „Guitar Hero World Tour” ist eine Gitarre zu haben, die fast so schwer in der Hand liegt wie eine echte. Sie kommt neben Knöpfen am Hals etwa mit einer berührungsempfindlichen Gleitschiene daher. Auch Keyboard- oder Drum-Sounds lassen sich mit ihr spielen, es wird aber auch ein Drumkit mit drei Becken und zwei Hihats angeboten. „Mit diesen Spielen kann man RocknRoll-Fantasien ausleben”, ist sich Entwickler Brian Bright sicher - der selbst seit 20 Jahren HipHop und elektronische Musik auflegt und produziert.
Für „Rock Band” gibt es - neben einem Mikrofon - ebenfalls ein Drumkit und eine Gitarre, die einer Fender Stratocaster nachempfunden ist. Den kompletten Instrumentensatz inklusive, kostet der Titel rund 140 Euro. Bei „Rock Revolution” ist nur ein Schlagzeug vorgesehen. Doch Instrumente, die für eines der anderen Spiele angeschafft wurden, sollen sich ebenfalls benutzen lassen.
„Ich komme mit dem Drumkit zurecht, obwohl ich eigentlich Saxofon spiele”, so Niais Taylor von Konamis „Rock Revolution”-Entwicklerteam aus El Segundo in Kalifornien, während er mit den Stöcken über die Becken rattert. Welches er wann treffen muss, sieht er am Bildschirm auf einer Leiste - so funktioniert es auch bei den anderen Titeln. In den USA ist „Rock Revolution” schon erschienen - inklusive Schlagzeug für rund 130 Dollar (rund 95 Euro).
Bei „Musiic Party” und „Ultimate Band” werden die Spieler dagegen auf Instrumente verzichten müssen: Gesteuert wird mit der Wii-Fernbedienung und dem Nunchuk. Zwei Fernbedienungen werden bei „Samba de Amigo” zu Sambarasseln. Wer es authentischer mag, kauft von Speedlink orangefarbene Rassel-Nachbildungen zum Aufstecken hinzu.
„Samba de Amigo” gab es schon vor Jahren für Segas ausgemusterte Konsole Dreamcast. Überhaupt sind die Musik-Spiele kein neues Thema. So ist die jüngste „Guitar Hero”-Folge schon die vierte. Auch Sonys „Singstar”, bei dem zwar nicht die Klampfe, aber immerhin das Mikro geschwungen werden kann, sollte laut Olaf Wolters vom Spiele-Branchenverband BIU aus Berlin nicht vergessen werden.
Wie kommt es dann, dass die Titel für Möchtegern-Rockstars erst jetzt zum wirklichen Massenthema werden - zumindest hierzulande? Das liege nicht zuletzt sicher daran, dass die zunehmende Zahl an Spielen dazu führe, dass sich die Publisher immer mehr dafür ins Zeug legen, sagt Markus Schwerdtel, Chefredakteur der in München erscheinenden Zeitschrift „GamePro”. „Und die Publisher verdienen ja nicht nur an den Spielen selbst, sondern auch an den Downloads.”
Wie auch immer die Titel einschlagen werden: Sie haben schon jetzt echte Fans. „Guitar Hero”-Anhänger kreuzen mittlerweile sogar bei der eSport-Turnierserie World Cyber Games die Gitarren. Bis ins nationale Finale, das auf der Games Convention ausgetragen wurde, hat es etwa Doris Reiter geschafft. Aus einer Samstagabend-Beschäftigung heraus habe sich ihr Hobby entwickelt, sagt die 27-Jährige. „"Guitar Hero" hält einen sehr lange bei der Stange - aber wenn man mag, kann man auch nur kurze Spielsessions machen.” Am Ende hat es für die Konsolen-Klampferin immerhin zu einem Mittelfeld-Platz gereicht.