Karlsruhe/Berlin : Pauken an der Spielkonsole: Serious Games sind im Kommen
Karlsruhe/Berlin Wenn Jugendliche stundenlang vor der Spielkonsole sitzen, war das Eltern bislang oft ein Dorn im Auge. Das könnte sich bald ändern: Denn Lernspiele - sogenannte Serious Games - sind nach Ansicht von Experten auf der Messe Learntec in Karlsruhe (3. bis 5. Februar) im Kommen.
Sie sollen nicht nur Spaß machen, sondern auch spielerisch den Lerneifer wecken und Wissen vermitteln. Wirklich unterhaltsame Lernspiele sind aber immer noch rar - und längst nicht jedes Spiel mit dem Label „Serious Game” verdient diesen Namen auch.
„Spaß fördert den Lernprozess - insofern lernt sich zum Beispiel die Straßenverkehrsordnung leichter, wenn sie als Spiel verpackt wird”, sagt Prof. Gernold Frank, der an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) in Berlin zu dem Thema forscht. Computerspiele hätten etwa gegenüber Lehrbüchern den Vorteil, dass Spieler Lernstoffe interaktiv erkunden können.
Spiele steigerten somit zum einen den Lernerfolg und senkten zugleich die Hemmschwelle für die Beschäftigung mit ernsten Themen, sagt Arne Busse von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in Bonn. Die bpb hat das Spiel „Genius” entwickelt, in dem Jüngere die Spielregeln der Demokratie lernen sollen. „Gerade Jugendliche aus bildungsfernen Schichten erreicht man über Computerspiele eben am besten.”
Führten solche Titel früher eher ein Nischendasein, sind Lernspiele wie „Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging” für tragbare Spielkonsolen inzwischen echte Renner: Die Serie hat sich seit ihrem Erscheinen 2006 allein in Europa mehr als zwölf Millionen Mal verkauft.
Das liege auch daran, dass solche Spiele eine neue Zielgruppe neben den klassischen Gamern ansprechen, sagt Linda Breitlauch, Professorin für Gamedesign an der Mediadesign Hochschule in Düsseldorf. Dazu gehörten vor allem Ältere, die mit dem Daddeln vor dem PC bisher wenig Berührungspunkte hatten. Auch Unternehmen hätten das Potenzial des Spieltriebs mittlerweile entdeckt, sagt Frank. „Da werden Spiele jetzt ernster genommen.” Und „Game based learning” werde inzwischen vermehrt in der Weiterbildung genutzt, ergänzt Breitlauch. „Das startet gerade als Testballon in vielen Firmen.” Künftig könnten Serious Games noch stärker als bislang in Schulen begleitend zum Unterricht eingesetzt werden.
Die Palette der Lernspiele ist breit: Sie reicht von Denksportaufgaben und spielerischem Tipp-Training über Wirtschaftssimulationen wie dem Klassiker „SimCity” bis hin zu Yoga-Lektionen an der Nintendo-Konsole Wii. Daneben werden Themen behandelt, um die herkömmliche Hersteller eher einen Bogen machen: In „Global Conflicts: Palestine” etwa wird der Nahost-Konflikt veranschaulicht, und das therapeutische Spiele „Re-Mission” richtet sich an krebskranke Kinder.
Aktuelle Titel aus der Unterhaltungsindustrie seien oft aber aufwendiger gestaltet und den Serious Games damit einen Schritt in der Entwicklung voraus, sagt Frank. „Grafisch können die da noch nicht mithalten.” Auch schafften es längst nicht alle Serious Games, den gleichen Spaßfaktor wie Unterhaltungsspiele zu bieten, sagt Breitlauch. „Idealerweise soll es ja so sein, dass man etwas lernt, ohne dass es den Anschein einer Pflichtübung hat.” Ansonsten dürften jugendliche Gamer ein Spiel schnell weglegen, auch wenn Eltern womöglich von ihm angetan sind.
Künftig ließen sich Lernspiele mit Hilfe des Internets noch ausbauen, meint Frank - zum Beispiel durch eine Webgemeinde für Spieler zum gegenseitigen Austausch von Wissensfragen. Eine solche Online-Gemeinde besitzt etwa das Lernspiel „World of Goo”, in dem Spieler kleine Kügelchen zusammenbauen und dabei etwas über Physik und Statik lernen.
Allerdings bestehe die Gefahr, dass jetzt auch Unterhaltungsspiele auf der Welle der Serious Games mitschwimmen, sagt Prof. Frank. „Das ist derzeit noch ein etwas schwammiger Begriff und keine klare Kennzeichnung.” Kunden müssten daher beachten, dass nicht überall ein lehrreiches Spiel drinsteckt, wo „Serious Game” draufsteht.
Denn generell müsse man immer noch zwischen ernsthaften Spielen und reinen Unterhaltungsspielen unterscheiden, sagt Frank. „Da sind die Übergänge fließend. Es kommt aber immer darauf an, was an erster Stelle steht: das Lernen oder die Unterhaltung.” Die Frage sei also, ob ein ernstes Thema spielerisch aufbereitet wird oder ein Spiel vor allem dem Zeitvertreib dient und der Spieler dabei als Nebeneffekt auch etwas lernt. „Ein Ballerspiel zum Beispiel fördert ja auch die Reaktionsschnelligkeit. Aber hier steht eben die Action und nicht das Lernen im Vordergrund.”
Eltern dürften daher auch künftig längst nicht jedes Spiel als pädagogisch wertvoll einstufen. „Grundsätzlich lernt man ja bei allen Spielen etwas. Die Frage ist nur, was ich da lerne und ob das etwas Sinnvolles ist”, sagt Prof. Breitlauch.