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Die Aachener Webcon: Mehr als ein digitales Familientreffen

Die Aachener Webcon : Mehr als ein digitales Familientreffen

Wenn WLAN-Netze glühen könnten, die Luft im Aachener Jugendgästehaus hätte gestrahlt wie ein Halogenscheinwerfer. Zum zweiten Mal trafen sich jetzt in Aachen Internetnutzer aus der Region zur Webcon, einer ganztägigen Mischung aus Vortragsreihe, Diskussion und Konferenz. Und wie nicht anders zu erwarten, kommunizierte die online-affine Klientel dabei nicht nur mündlich: Das Gesehene und Gehörte wurde über sämtliche Netzkanäle weitergegeben, kommentiert und diskutiert.

Fast zwei Dutzend Vorträge in vier Seminarräumen auf drei Etagen, das Ganze verteilt über mehr als acht Stunden: Für die rund 180 Gäste hatte das Veranstalterteam wie schon im Vorjahr eine prall gefüllte Wundertüte zusammengestellt. „Wir wollen jeden ansprechen, der im weitesten Sinne professionell mit dem Internet zu tun hat“, formulierte es Mitveranstalter Michael Keukert von der Aachener Internetagentur Aixhibit. Entsprechend war von der Praktikantin bis zum Geschäftsführer buchstäblich alles vertreten.

Ein Konzernchef als Revolutionär

Den Gästen blieb nur die Qual der Wahl zwischen den 23 Sessions genannten Vorträgen. So zum Beispiel, Karin Krubeck aus Bonn zuzuhören, die das konzerneigene Soziale Netzwerk TSN der Telekom vorstellte. Sie faszinierte ihre Zuhörer im überfüllten Raum „Eset“ mit der Schilderung, wie Konzernchef René Obermann im gerade vorgestellten Netzwerk starre Kommunikationsregeln durchbrach und frisch von der Leber weg über das schrieb, was ihm wichtig war. „So etwas ist in so einem Unternehmen wohltuend.“ Folge: Die Belegschaft tat es wie ihr Chef und nutzte das neue Angebot unverkrampft. Mittlerweile haben rund 70.000 der 240.000 Mitarbeiter einen Account bei TSN.

Digitale Welt und klassisches Schriftsetzerwissen verschmolzen dagegen beim Webdesigner und Typographie-Experten Pawel Strzyzewski. Von ihm war etwa zu erfahren, was hinter Begriffen steckt wie Schusterjunge (eine übriggebliebene Einzelzeile unter dem letzten Absatz einer Seite) oder Zwiebelfisch (ein einzelner, anders gesetzter Buchstabe in einem Wort).

Andere Referenten vermittelten konkretes Technikwissen, so Gerhard Schröder aus Essen. Er gab eine Einführung in Googles Videokonferenz-System Hangouts. Von ihm erfuhren die Zuhörer, dass ein gut ausgeleuchtetes Webcam-Bild erstaunlicherweise auch die Tonqualität verbessern kann. Dazu gab es Tipps wie „installieren Sie die Kamera immer auf Augenhöhe“.

Um Markttrends in der Zeitungsbranche ging es bei Meike Fernandez-Steeger und Kati Tiedgen, die im Raum „RelAix“ neue Wege aufzeigten, mit denen Lokalzeitungen im Internet erfolgreich sein können. Beispiele waren ein Online-Stadtführer und eine regionale Spendenplattform.

Wie der begeisterte Internetnutzer schließlich trotz des Ablenkungs-Dauerfeuers im Internet noch Übersicht und Konzentration behalten kann, war von Jörn Meyer aus Köln im Raum „Rewisto“ zu hören. „Singletasking für Kopfarbeiter“ hieß sein Vortrag — ein Plädoyer gegen das allerorts propagierte Multitasking.

Das Wort vom „Familientreffen“ der lokalen Internetszene stand bei der Webcon stets im Raum — und passte auch gut angesichts des freundschaftlichen Miteinanders. Doch warnte Referent und Social-Media-Experte Stefan Balázs in seinen Ausführungen ausdrücklich davor, derartige Veranstaltungen wie so häufig als geschlossene „Szene-Partys“ darzustellen, zu denen der Rest der Gesellschaft keinen Zutritt habe.

Quadrocopter fliegt im Hof

Familiär ging es dennoch zu, nicht zuletzt dank diverser netter Kleinigkeiten am Rande, von den bei Aachener Netz-Treffen so beliebten Mettbrötchen (für das „Mettworking“) bis zum ferngelenkten Quadrocopter-Fluggerät, das im Innenhof Kreise drehte.

Entsprechend positiv fiel das Feedback der Besucher aus: „Die Webcon hat Relevanz, weil sie die Leute aus dem Internet physisch miteinander in Kontakt bringt“, bescheinigte der Veranstaltung Guglielmo Menon, Beziehungs- und Teamberater aus Aachen. „Der Markt an Konferenzen in Aachen aus dem Bereich Internet und Technologie ist ja eher überschaubar“, sagte Lars Feyerabend, Webentwickler. Der 28-Jährige lobte den „schönen Mix“ der Veranstaltungen.

Für das nächste Mal hatte er sich vorgenommen, bei der Auswahl der Sessions mutiger zu sein und sich auch in Vorträge zu unbekannteren Themen zu wagen. Wann er dazu Gelegenheit haben wird, steht übrigens mittlerweile fest: Die Webcon 2014 wird am 8. November kommenden Jahres stattfinden, wieder am selben Ort.

Zufriedenheit durchzog auch die Schlussworte der Referenten. So freute sich etwa Andreas Herten, der seine Zuhörer ins Cloud Computing eingeführt hatte: „Schön, dass es im Publikum ein paar Leute gab, die auch mir etwas Neues beigebracht haben.“

Was das eingangs erwähnte glühende WLAN anging, sorgte am Ende des Tages Klaus Ridder vom Co-Sponsor, dem Internetprovider RelAix Networks, für belastbare Zahlen. Zeitweise, so zitierte er aus der Tagesstatistik, hätten bis zu 160 Nutzer gleichzeitig an der eigens installierten 50-Megabit-Leitung gesaugt. Insgesamt hatten die Anwesenden mit ihren Smartphones, Tablets und Notebooks rund zehn Gigabyte an Daten in das und aus dem Netz geladen. Die anerkennenden Blicke des Publikums bestätigten: kein schlechter Wert — für so ein nettes Familientreffen.