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Berlin: Festnetz ade: Das „Next Generation Network” setzt auf Internettelefonie

Berlin : Festnetz ade: Das „Next Generation Network” setzt auf Internettelefonie

Liefen Telefon und Internet bislang für gewöhnlich über getrennte Kanäle, ist damit bald Schluss. Künftig wollen Anbieter ihr Netz komplett auf Internettelefonie umstellen, weil die IP-Technik für sie billiger ist. Das herkömmliche Festnetz hat damit ausgedient und wird vom „Next Generation Network” (NGN) abgelöst.

Die Kunden benötigen in Zukunft nur noch eine Leitung und ein Gerät als Schaltzentrale für Telefon und Internet. Experten warnen aber vor möglichen Problemen bei der Umstellung. „Der Vorteil für Kunden ist: Die Technik zum Telefonieren und Surfen wird durch die Umstellung vereinheitlicht und somit vereinfacht”, sagt Manfred Breuer vom Branchenverband Bitkom in Berlin.

Während Kunden mit separatem DSL- und ISDN-Anschluss heute teilweise noch die Telefonanlage mit dem NTBA-Adapter verbinden und zusätzlich das DSL-Modem mit Splitter und Router verkabeln müssen, soll die Technik am Telefonanschluss durch die Umstellung übersichtlicher werden. Künftig übernehme eine so genannte IAD-Box allein die Vermittlung von Gesprächen und Datenabrufen.

„Dadurch wird auch die Installation und Bedienung der Geräte einfacher”, sagt Thomas Rompczyk von Arcor in Eschborn bei Frankfurt. Über den PC ließen sich die Einstellungen der IAD-Box für Telefon und Internet einheitlich konfigurieren: So könnten Anwender etwa über den Internetbrowser Rufumleitungen einrichten oder auf den Anrufbeantworter zugreifen. Zudem dürfen Kunden darauf hoffen, dass das Telefonieren durch das NGN billiger wird.

Während sich laut Breuer mit der herkömmlichen Telefontechnik nur noch wenig Spielraum für weitere Preissenkungen bietet, dürfte die vollständige Umstellung auf die IP-Technik wieder für mehr Bewegung auf dem Markt sorgen. Der Wechsel soll auch neue Möglichkeiten beim Telefonieren bringen. „So wäre etwa eine Statusanzeige wie bei einem Instant Messenger denkbar”, sagt Breuer.

Andere könnten so schon vor einem Anruf sehen, ob der andere zu Hause ist und gerade Zeit hat. Anbieter wie Arcor und Hansenet haben begonnen, ihre Kunden Schritt für Schritt ins neue Netz einzuspeisen. Eine Wahl haben die Betroffenen nicht. Auch die Telekom bietet Kunden langfristig keine Alternative zu der Zwangsumstellung. Innerhalb der nächsten fünf Jahre müssen sie sich vom klassischen Festnetz verabschieden.

„Das heißt aber nicht, dass Kunden mit einem einfachen Telefonanschluss dann vom Netz abgeschnitten sind”, sagt T-Com-Sprecher Ralf Sauerzapf in Bonn. Auch künftig werde es reine Telefonanschlüsse geben - dabei ändere sich nur die Technik hinter der Telefonbuchse, über die die Gespräche geleitet werden. „Bestenfalls merkt der Kunde von der Umstellung nichts”, sagt Bitkom-Sprecher Breuer.

Die IP-Telefonie biete in NGNs eine ebenso gute Sprachqualität und Verlässlichkeit wie das herkömmliche Festnetz. Das sehen Experten jedoch teilweise anders: „Die Verbindung bei der Internettelefonie ist oft weniger zuverlässig als beim herkömmlichen Telefonnetz”, sagt Dusan Zivadinovic von der in Hannover erscheinenden Zeitschrift „c´t”. Durch die Umstellung müssten Kunden nicht nur mit technischen Aussetzern rechnen, sondern teilweise auch mit einer schlechteren Sprachqualität. Das gilt laut Zivadinovic besonders dann, wenn über eine einzelne Datenleitung nicht nur Gespräche, sondern auch große E-Mails und Video-Streams fließen sollen. So schwebt den Anbietern vor, dass durch die Umstellung auch Telefon, Internet und Fernsehen weiter zusammenwachsen sollen. „Triple Play” heißt das im Fachjargon.

Zwar beschwören die Anbieter diese Konvergenz schon seit langem ? mit der Einführung der NGNs soll sie aber endlich Wirklichkeit werden. Der Nachteil einer solchen Einheitslösung: Schon ein Stromausfall führt unter Umständen dazu, dass Kunden nicht mehr telefonieren können. Zudem müssen sich alle Anwendungen die Bandbreite eines einzigen Anschlusses teilen. „Bei getrennten Leitungen ist es dagegen einfacher, verschiedene Ansprüche unter einen Hut zu bringen”, sagt Zivadinovic.

Wenn etwa die Mutter telefonieren will, während der Sohn online spielt, könne das bei einer einzigen Leitung Probleme geben. Daher komme es darauf an, wie gut sich regeln lässt, welche Daten im Heimnetzwerk Vorfahrt haben. Zudem könnten Kunden Probleme haben, wenn sie Geräte anderer Hersteller, etwa einen speziellen Netzwerkrouter, zusammen mit der IAD-Box nutzen wollen. Auch ein Umrüsten gestaltet sich eventuell schwieriger: So dürften Kunden weniger flexibel sein, wenn sie etwa von analogen Telefonen auf ISDN-Modelle wechseln wollen. Ob die Umstellung auf die neue Netzwerk-Generation daher auch für den Kunden einen Fortschritt bedeutet, bleibt abzuwarten.