1. Digital

Darmstadt: Charttechnik bietet mehr Durchblick im Auf und Ab der Kurse

Darmstadt : Charttechnik bietet mehr Durchblick im Auf und Ab der Kurse

Kaufen oder verkaufen? Entscheidungen an der Börse haben viel mit Psychologie zu tun. Das macht sich die Charttechnik zunutze: „Der Grundgedanke ist, dass menschliche Verhaltensmuster wie Gier und Angst seit Jahrhunderten unveränderlich sind”, sagt Lutz Mathes vom Chartbüro Darmstadt.

„Man kann nicht in die Köpfe der Menschen blicken, aber man kann an den Charts sehr gut die Auswirkungen auf die Börse ablesen.” Ein Chart sei nichts anderes als die grafische Darstellung eines Börsenkurses, erläutert Norbert Betz, Leiter der Handelsüberwachung der Bayerische Börse AG in München. „Er ist wie eine Straßenkarte, auf der die bisherige Route einer Aktie verzeichnet ist.”

Mitunter werden diese Grafiken noch mit weiteren Informationen angereichert: Wann wurden Dividenden gezahlt? Wann gab es Kapitalerhöhungen? „Die einfachste grafische Darstellung ist eine Trendlinie”, sagt Mathes. „Dabei werden mit dem Lineal die Kursverläufe verdeutlicht”, erklärt der Analyst. Die Liniencharts helfen, ein Muster im Auf und Ab der Börse zu erkennen. Beliebt sind Balkencharts: „Die Länge des Balkens entspricht dem Abstand zwischen Beginn- und Schlusspreis eines Handelstages”, erläutert Betz.

Anhänger der Chartanalyse sind überzeugt, am Kurs einer Aktie die nötigen Informationen ablesen zu können, mit denen sich das Unternehmen dahinter bewerten lässt. Schließlich haben sich schon zahlreiche Händler mit dem Papier befasst: „Der Marktpreis ist immer das Produkt von zahllosen Faktoren, die ein einzelner Experte gar nicht beurteilen kann”, sagt Betz. Charts von kleinen Unternehmen seien weniger aussagekräftig, weil hinter dem Kurs nicht so viele Kaufentscheidungen stünden.

„Durch die Analyse der Charts wird versucht, künftige Trends vorherzusagen”, erklärt der Münchener Chartexperte Marcel Meyer, der ein Internetforum zum Thema betreibt. „Wenn der Trend positiv ist, sollte man nach entsprechenden Fortsetzungsmustern suchen.” Was deutet darauf hin? Die „Flagge” - bei der zwei parallele Linien die Höchst- und die Tiefststände eines Kurses verbinden - ist so eine Formation, an der Chartanalysten ablesen, dass die Entwicklung anhält: „Sie steht für eine kurze Konsolidierungsphase, danach setzt sich der Trend fort.”

Ob Flagge, Winkel oder Rounding Bottom - die Chartanalyse kennt zahllose solche Formationen. Dabei treibt die Analysten vor allem eine Frage um: Wann kehrt sich ein Trend um? „Ein Chartanalyst wird eine unterbewertete Aktie nie als Erster identifizieren”, sagt Mathes. „Dafür registriert er, wenn ein Titel plötzlich wieder gekauft wird und der Kurs anzieht.”

Anleger sollten der Charttechnik nie blind vertrauen: „Wenn alle investieren oder verkaufen, weil ein bestimmter Kursverlauf erwartet wird, besteht die Gefahr einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung”, sagt Mathes. Häufig werden Verkaufaufträge automatisch ausgeführt, sobald der Kurs eine festgelegte Marke durchbrochen hat. „Viele kleine Anleger haben so eine fixe Stopp-Loss-Order platziert.” Das nutzen Spekulanten aus, um den Kurs gezielt über oder unter diese Marke zu treiben und daran zu verdienen.

„Ein System mit hoher Prognosekraft gibt es nicht”, sagt Betz. Das sei schon deshalb so, weil die Analyseergebnisse wiederum den Markt beeinflussen. „Selbst wenn eine bestimmte Analysemethode in der Vergangenheit den Markt um zwei, drei Prozent geschlagen hat, schließt das individuelle Anlegerfehler nicht aus.” Die Charttechnik sei deshalb nur ein Hilfsmittel. „Ein Blick auf die Charts hilft, die emotionale Bindung an eine Aktie auszublenden”, sagt Mathes. Gerade Kleinanleger neigten dazu, zu lange an einer Aktie festzuhalten.

Die Chartanalyse könne wichtige Verkaufshinweise geben. Mitunter stellen Analysten ihre Einschätzungen kostenlos im Netz zur Verfügung. Wer über ein Online-Depot verfügt, kann sich in der Regel auch die Kursverläufe der einzelnen Titel anzeigen lassen. „Als ich 1982 anfing, mich für Börse zu interessieren, war das Schwierigste, an Charts zu kommen”, sagt Betz. „Durch das Internet hat sich das radikal geändert.” Statt die Kursverläufe auf Millimeterpapier selbst zu zeichnen, lassen sich heute Darstellung und Zeitraum eines Charts mit wenigen Mausklicks festlegen.

Analysen lassen sich auf Basis von Tagen oder Stunden erstellen: "Es gibt Intraday-Trader, die im Minutentakt versuchen, Muster zu erkennen und Prognosen zu stellen”, sagt Meyer. Chartanalyse sei aber immer nur ein Werkzeug: „Um Geld zu verdienen, müssen die Titel dann auch tatsächlich gehandelt werden.” Dabei sollten Anleger eine Faustregel beherzigen: Niemals mit dem ganzen Geld auf schnelle Gewinne spekulieren. Meyer besitzt deshalb zwei Depots - eines, um auf steigende und fallende Kurse zu setzen. Hier hält der Aktionär einen Posten selten länger als zwei Wochen. „Daneben habe ich noch ein ganz langweiliges Depot für die Altersvorsorge, das ich nur einmal im Jahr anfasse.”

(dpa)