Region : Arbeit muss keinen Spaß machen: Ein Gespräch mit Autor Volker Kitz
Region Gibt es den Traumjob überhaupt? Der Autor Volker Kitz ist da eher skeptisch und findet es gar nicht schlimm, wenn die Arbeit nicht die Erfüllung des Lebens ist. In seinem Buch „Feierabend! Warum man für seinen Job nicht brennen muss“ plädiert er für mehr Realismus, Gelassenheit und vor allem Routine.
WirHier: Nach dem Studium oder der Schule ist für viele das Arbeitsleben erst einmal ein Schock. Warum?
Volker Kitz: Weil viele Leute in der Ausbildung oder im Studium falsche Vorstellungen davon vermittelt bekommen. Es wird nicht gezeigt, dass es so etwas gibt wie Routine und Anweisungen. Dass man nicht einfach machen kann, was man will.
Oft ist von Selbstverwirklichung, Gestaltungsspielraum und Herausforderung die Rede. Viele Leute haben die Vorstellung, sie können nur machen, worauf sie Lust haben. Das hat mit der richten Arbeitswelt nichts zu tun.
WirHier: Routine ist in Ihrem Buch ein großes Thema. Wieso?
Kitz: Sie lässt sich nicht vermeiden. Ein Job besteht eben daraus, dass man jeden Tag ähnliche Dinge macht. Und das ist ja auch wichtig, denn wer möchte vor dem Blutabnehmen von der Ärztin hören: „Das ist jetzt eine Herausforderung für mich“.
Wir wollen mit routinierten Menschen zu tun haben. Wir lieben die Routine, nur will sie keiner ausüben. Aber gerade das ist wichtig, um seine Arbeit gutzumachen.
WirHier: Sie haben einmal gesagt, Können sei wichtiger als Leidenschaft. Wie meinen Sie das?
Kitz: Oft wird gesagt, „Leidenschaft ist das A und O im Beruf“. Also ob das ein Versprechen wäre, dass jemand seine Arbeit besonders gut macht. Dabei hat das eine mit dem anderen gar nichts zu tun. Da muss man sich nur mal eine Folge von „Deutschland sucht den Superstar“ anschauen. Da singen Leute mit großer Leidenschaft sehr, sehr schlecht. Die Bereiche können zusammenfallen, müssen aber nicht.
WirHier: Ein bisschen Leidenschaft brauche ich aber schon, oder?
Kitz: Ja, mein Buch ist kein Plädoyer dafür, dass alle unter ihrer Arbeit leiden sollten. Wenn man sich völlig falsch aufgehoben fühlt, sollte man die Stelle wechseln. Ich will dazu anregen, einen Moment darüber nachzudenken, was die Arbeitswelt leisten kann und was nicht.
Ich glaube, die meisten Menschen machen ihre Arbeit gut und sind ganz zufrieden. Das Problem ist, dass ihnen oft eingeredet wird, dass das nicht reicht.
WirHier: Verblasst das „Konzept Arbeit“, weil viele den Spaß in den Vordergrund stellen?
Kitz: Worauf sich alle einigen können ist, dass der Job der Austausch von Arbeit gegen Geld ist. Die meisten Leute arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen und da sollte man sich nicht unter Wert verkaufen.
Wenn das zusätzlich jemandem noch großen Spaß macht und er darin seine Lebenserfüllung findet, ist das schön. Aber wir sollten nicht so tun, als wäre das der eigentliche Sinn der Arbeit. Sie ist nicht erfunden worden, um den Menschen glücklich zu machen. Die Feuerwehr ist da, um Brände zu löschen — nicht, um Kinderträume zu erfüllen.
WirHier: Lohnt es sich überhaupt, seinen Traumjob zu suchen?
Kitz: Ich finde, schon der Begriff „Traumjob“ suggeriert falsche Dinge. Einen Beruf, der mich interessiert, sollte ich schon anstreben, aber auch ein realistisches Bild davon haben. Dass es eben auch in diesem Job nicht nur gute Seiten gibt und dort auch unangenehme Menschen sind. Auch Idioten müssen irgendwo arbeiten.
WirHier: Die Arbeit ist ein wichtiger Teil im Leben, der einen persönlich formt. Die Jobauswahl ist schon entscheidend, oder?
Kitz: Ja, auf jeden Fall. Aber wir verbringen mit der Arbeit nicht so viel Zeit wie immer gesagt wird. Auf das gesamte Leben hochgerechnet schlafen wir 24 Jahre und arbeiten gerade einmal acht. Wenn man merkt, dass es gar nicht so viel ist, kann man ein bisschen Druck rausnehmen.
Viele Leute, die gerade anfangen zu arbeiten, haben wahnsinnige Angst vor einer falschen Entscheidung. Dabei kann fast jede Entscheidung rückgängig gemacht werden. Wir leben in einer Zeit, in der sogar Päpste zurücktreten.
WirHier: Was raten Sie Berufseinsteigern?
Kitz: Es ist wichtig, sich nicht von Schlagworten wie Leidenschaft, Herausforderungen und nettem Team blenden zu lassen. Man sollte ganz konkret überlegen und sich informieren — in einem Praktikum oder im Gespräch mit Mitarbeitern — wie ein konkreter Arbeitstag aussieht und welche Tätigkeiten auf einen zukommen. Anne Schröder