Hückelhoven: Zur Arbeit kommt sie gerne mit dem Fahrrad

Hückelhoven : Zur Arbeit kommt sie gerne mit dem Fahrrad

Als die Bundesrepublik noch in den Kinderschuhen steckte, als die Ärmel aufgekrempelt werden mussten, als Aufbauen ein Zauberwort war - auch in diesem jungfräulichen Stadium der Republik gab es Menschen, die mit der raschen Entwicklung der Gesellschaft nicht Schritt halten konnten.

Es waren meist Frauen, die sich in der Wohlfahrtspflege um die an den Rand gedrückten Menschen kümmerten. Als die Republik Anfang der 70-er Jahre erwachsen geworden war, wurde das soziale Gewissen auf professionelle Beine gestellt: Die Wohlfahrtspflege, zur Sozialpädagogik und Sozialarbeit akademisch aufgewertet, wurde ein attraktives Betätigungsfeld auch für Männer.

Die Gesellschaft entwickelt sich weiter, die Zeiten haben sich geändert: Der Glaube, mit sozialer Arbeit diese Gesellschaft ein Stück menschlicher machen zu können, hat sich im Laufe der Jahre an der Wirklichkeit abgeschliffen.

Heutzutage, 6o Jahre nach Gründung der Republik, ist Sozialarbeit wieder mehrheitlich in Frauenhand. Was nichts über die Qualität der Sozialarbeit, viel aber über die ökonomischen Zwänge in unserer postmodernen Gesellschaft aussagt.

In Hückelhoven beispielsweise ist Caroline Forschelen seit Anfang diesen Jahres Leiterin des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) der ehemaligen Zechenstadt.

Sie ist damit „Chefin” über zehn Mitarbeiter, Sozialpädagogen oder Sozialarbeiter wie sie. Die zehn Teammitglieder sind ausnahmslos Frauen.

„Alle Berufe, die mit Menschen zu tun haben, werden schlecht bezahlt”, sagt Ralf Schwarzenberg. Als Leiter des Hückelhovener Jugendamtes ist er einer der wenigen Männer, die man in den Büros an der Ludovicistraße antrifft.

Seine Kollegin Caroline Forschelen ist dort für den sensiblen Bereich Jugendhilfe zuständig. „Die Arbeit hier und die Verantwortung, die ich jetzt habe, ist eine große Herausforderung für mich”, sagt sie. So locker, aber auch selbstverständlich, wie sie das sagt, macht sie deutlich, dass sie sich dieser Herausforderung stellt - und sich ihr gewachsen fühlt.

Was war für sie der Auslöser, sich als Beruf für das Soziale zu entscheiden? „Ich bin die klassische Seiteneinsteigerin”, sagt Caroline Forschelen.

Zehn Jahre arbeitete sie als Anwaltsgehilfin, mit 27 begann sie das dem Studium der Sozialarbeit. „Ich wollte nicht mein Leben lang Vorzimmerdame bleiben. Ich wollte mehr.”

Viereinhalb Jahre hat sie studiert und parallel dazu 14 bis 15 Stunden in der Woche in ihrem alten Beruf gearbeitet. Eine harte Zeit für sie.

2002 war mündliche Prüfung; als Hückelhoven Anfang 2003 ein eigenes Jugendamt bekam, fing sie dort als Sozialarbeiterin an. „Ratheim war mein Bezirk”, erinnert sie sich.

Fünf Jahre also arbeitet sie schon vor Ort. Eine lange Spanne in dieser Zeit, in der sich in immer kürzeren Abständen vieles in der Gesellschaft oft grundlegend verändert.

Nicht immer zum Positiven. Manchmal aber doch - auch wenn es nicht auf Anhieb zu erkennen ist. „Die Meldungen über Kindeswohlgefährdung sind in letzter Zeit deutlich mehr geworden”, sagt die Sozialarbeiterin.

„Meldungen über Kindeswohlgefährdung”? Was heißt das konkret? „Beispielsweise: Nachbarn registrieren, dass ein Kind oft schreit. Sie rufen das Jugendamt an, damit wir dort mal nachsehen.” Sozialarbeiter sind auf Information angewiesen.

„Je früher wir über mögliche Missstände informiert werden, desto größer sind unsere Möglichkeiten, positiv einzuwirken.” Nicht selten freilich können die Fachfrauen vom Jugendamt erst eingreifen, wenn das Kind sozusagen bereits in den Brunnen gefallen ist.

Trotz vermehrter Meldungen. Das sind dann die harten Fälle. Jetzt also ist Caroline Forschelen vom Vorzimmer in die „Chefetage” aufgestiegen. Nein, nein, so will sie das nicht sehen.

„Wir verstehen uns hier als Team. ” Sozialarbeit, sagt sie, funktioniere eigentlich nur in Teamarbeit. Auf allen Ebenen. „Ich entwickele mich hier ständig weiter, das ist eine klasse Sache für mich”, sagt sie.

Wer mit 38 Jahren so überzeugt klingt, dem muss man abnehmen, dass der Beruf tatsächlich so etwas wie Berufung für ihn ist. Caroline Forschelen fügt freilich sofort hinzu: „Das alles geht nur, weil wir ein ganz tolles Team haben.”

Einschränkungen klingen anders. Zum Dienst ins Jugendamt kommt sie nicht selten mit dem Fahrrad. Zwölf Kilometer von ihrem Wohnort Lindern bis zum Arbeitsplatz in Hückelhoven? Ein Klacks: „Das ist für mich Entspannung.”


Achthundert bis tausend Kilometer lange Touren mit dem Rad sind für sie nichts Besonderes. Die macht sie zusammen mit ihrem Mann. Man kennt das von namhafteren Zeitgenossen: „Ich bin dann mal zehn Tage weg.”

Möglicherweise macht sie dabei Halt beim Konzert von Marius Müller-Westernhagen zu dessen 60. Geburtstag. „Wir sind Fans von dem”, sagt sie. „Und von Metallica”, fügt sie hinzu. Die ganz harte Nummer also. Aber das sieht man Caroline Forschelen nun wirklich nicht an.