Heinsberg : Wachs der Osterkerze einst sehr begehrt
Heinsberg Wenn die Natur zu neuem Leben erwacht, wenn es sich unter der winterlichen Laubdecke zu regen beginnt, Krokus, Märzbecher und die ersten Tulpen ihre Blütenkelche öffnen, feiern die christlichen Kirchen eines ihrer höchsten Feste - Ostern.
Eine Vielzahl von religiösen und weltlichen Bräuchen rankte sich einst um Karwoche und Osterfest.
Heute kann kaum noch ein junger Mann damit rechnen, dass ihm eine Anbeterin heimlich beim Kirchgang ein Osterei als Liebesgabe zusteckt. Vergessen ist auch das Osterlachen in der Kirche, als man den Priestern gestattete, während des Gottesdienstes die Gemeinde mit lustigen Geschichten zu unterhalten.
Österliches Brauchtum in der Woche von Palmsonntag bis zum Osterfest, ursprünglich eingebunden in das religiöse Leben der katholischen Kirche, gewinnt im Rheinland dank der Initiative des Amtes für rheinische Landeskunde des Landschaftsverbandes Rheinland in Bonn vielfach wieder neue Bedeutung.
Die Schönheit österlichen Brauchtums erlebten die Besucher des Gottesdienstes in der Heinsberger Propsteikirche am vergangenen Palmsonntag.
Hier wird seit einigen Jahren die Weihe der Buchsbaumzweige, die dann zu Hause die Kreuze in den Wohnungen schmücken und am Feldrain in die Erde gesteckt die Feldfrucht vor Misswuchs bewahren sollen, in beindruckender Weise begangen.
Hierzu kamen die Kinder des Kindergartens mit ihren selbstgebastelten, mit bunten Bändern geschmückten und von einem Hahn als Zeichen der Wachsamkeit gekrönten Palmbuschen und zogen damit in einer Prozession durch die Kirche.
Eine Palmprozession unter Mitführung des Palmesels, wie sie noch im 18. Jahrhundert im Rheinland üblich war, ist ganz in Vergessenheit geraten.
In Heinsberg wird auch heute wieder der aufs frühe Mittelalter zurück gehende Brauch gepflegt, am Karfreitag in der Krypta das „Heilige Grab” zu errichten, von dem es in einem Kölner Ratsprotokoll von 1545 heißt: „dat graff, welchs zur gedechtnuß des doits Christi nach alder guder christlicher gewohnheit ufgericht gewesen.”
Angeregt durch die damals häufiger werdenden Pilgerfahrten nach Jerusalem schuf man vielerorts im Chor der Kirche, in einer Seitenkapelle oder in der Krypta Andachtsstätten „zur ewigen Anbetung”, wo die Gläubigen im Gebet Wache hielten bis zur Auferstehungsfeier.
Am Gründonnerstag wurden in der alten christlichen Kirche alle Kerzen und Lampen ausgelöscht - nur die riesige, mit den heiligen Kreuzesnägeln geschmückte Osterkerze blieb brennen.
Am Karsamstag wurde auch sie gelöscht, dreimal in das neu geweihte Taufwasser hineingesenkt, dann neu angezündet und mit ihr das Feuer sämtlicher Lichter und Lampen neu entzündet.
Die Osterkerze versinnbildlicht Christus, das Licht der Welt. Sie wird fortan beim Hauptgottesdienst während der Osterzeit angezündet und am Himmelfahrtstag ausgelöscht.
Gern wurde von den Gottesdienstbesuchern das Wachs gesammelt, welches an der Osterkerze herunter tropfte. Man schrieb ihm eine besondere, heilende Wirkung zu. Es sollte, in Bienenkörbe gelegt, den Ertrag der Bienenvölker steigern.
Bei Krankheiten eingegeben, sollte das Wachs der Osterkerze Heilung bewirken. Diebe glaubten sich dadurch vor dem Ertapptwerden sicher und Jäger vor Unglück gefeit, wenn sie von dem Wachs bei sich trugen.
Im benachbarten belgischen Kempenland legte man, um Unglück und Krankheit vom Vieh fern zu halten, aus Weihrauch und Wachs geformte Osternägel unter die Stalltüre. Die Nägel wurden vorher kreuzweise auf die Osterkerze gesteckt.
Aus Belgien kommt ebenfalls der Brauch, einen solchen Nagel unter die Schwelle eines neugebauten Hauses zu legen.