Heinsberg : Vom Pferd durften nur Hals und Kopf zu sehen sein
Heinsberg Noch in den Schulbüchern der heutigen Rentnergeneration spannte der Bauer im Märzen sein Rösslein an und schnitt im Heumonat Juni das Gras mit der Sense von Hand.
Nach den alten Bauernregeln ist Sankt Barnabas (11. Juni) der Tag, an dem der Grasaufwuchs reif ist für den Schnitt. Seitdem die maschinellen Erntegeräte mit immer größerer technischer Vollkommenheit auf den Bauernhöfen Einzug gehalten haben, ist die in früheren Zeiten je nach Witterung oft wochenlang sich hinziehende Heuernte auf einige wenige Tage geschrumpft.
Damit hat die Heuernte viel von ihrer früheren „Romantik” eingebüßt und der Blick zurück mag zwar etwas wehmütig stimmen, aber das arbeitsintensive bäuerliche Leben von damals möchte heute keiner mehr führen.
Bis vor dem Zweiten Weltkrieg war die „Mahd”, das heißt der Schnitt der zu Beginn des Monats Juni gereiften Gräser, eine Gemeinschaftsarbeit benachbarter Landwirte, deren Tagwerk bereits vor Morgengrauen begann, weil das taugetränkte Gras besser zu schneiden war.
Der beste Mäher erhielt Vorhand, ein zweiter, dritter oder auch vierter folgte, und die frischen Gräser und saftigen Kräuter fielen unter dem sirrenden Takt der Sensen. Ein „Gemahd” reihte sich an das andere. Nach reichlich zwei Stunden war Frühstückszeit. Denn hart war die Arbeit mit der Sense, und mancher Schweißtropfen rann über die gebräunten Wangen.
Vor Beginn der Arbeit wurde die richtige Stellung des Sensenblattes zum Sensenschaft genauestens überprüft, was ebenso viel Fachkenntnis voraussetzte wie das richtige „Haaren” (Dengeln) des Sensenblattes mit dem „Haargeschirr” (Dengelhammer und Dengelamboss).
Den zum Schärfen ihrer Sensen benötigten Wetzstein bewahrten die Schnitter in der am Gürtel getragenen, mit Wasser gefüllten „Schliepböös”. Diese war aus einem Kuhhorn gefertigt oder aus Holz geschnitzt. Alle Formen liefen nach unten spitz zu, sodass sie sich aufrecht in den Boden stecken ließen.
Wenn dann die Frauen, die inzwischen das Vieh versorgt und die Stallarbeit besorgt hatten, mit ihren weißen Kopftüchern auf der Bildfläche erschienen, um die Schwaden mittels hölzerner Heuforken oder eben solcher Rechen auseinander zu werfen, war die Hauptarbeit des Tages meistens getan.
Die Sonne stand im Zenit. Für die Schnitter gab es dann „Pruumebottermelk met Kook” (Pflaumenbuttermilch mit Pfannkuchen) und die wohlverdiente Siesta mit ins Gesicht gezogenem Strohhut.
Doch bis zum Abend war noch viel zu tun. Das bereits angetrocknete Gras wurde gewendet und zum Schutz vor der Nachtfeuchtigkeit „gehöppert”, das heißt auf kleine Haufen gesetzt. Spätestens am dritten Tag, vorausgesetzt, dass die Sonne ihr Teil beigetragen hatte, war das Heu nach mehrmaligem Wenden mit der „Heuforke” fertig zum „Husten”.
Diese schwierige Prozedur erforderte einige Sachkenntniss, denn so ein „Hust” sollte Wind und Regen trotzen können. Bei der Einbringung der Heuernte erforderte das Beladen der Heukarre viel Geschick und größte Sorgfalt. Denn eine geladene Heufuhre war ein wahres Meisterstück: sauber, gerade und kantig gebaut.
Die Karrenräder waren fast ganz verdeckt und vom Pferd durften nur Hals und Kopf zu sehen sein. Beim Heinsberger Gastwirt Houben in der Hochstraße war Zwischenstation für die durchziehenden Heufuhrwerke. Nach einem kühlen Trunk für Pferd und Fuhrleute wurden die Fuhren einer eingehenden Prüfung unterzogen. Die am schönsten „gebaute” Fuhre wurde prämiert.