Aachen : Tierheim Aachen: „Jockel“ und „Ursel“ suchen ein neues Zuhause
Aachen Es war keine Liebe auf den ersten Blick, aber auf den zweiten — zwischen Hahn Jockel und seiner Henne Ursel. Jockel ist ein Fundtier und zählt zu den aktuellen Sorgenkindern des Aachener Tierheims.
Vor sechs bis acht Wochen wurde er auf einem Parkplatz in Eschweiler gefunden und ins Tierheim gebracht. Weil er sich ganz allein in seinem Käfig unwohl fühlte, durfte er bald in ein Gehege umziehen. Dort verbringt er die Zeit am liebsten in seinem kleinen Holzhäuschen und lässt nur zwei seiner schillernden Schwanzfedern herausbaumeln und sachte im Wind wehen. Seine ganze Schönheit zeigt der stolze Hahn an diesem Nachmittag nicht. Nicht einmal ein leichtes Krächzen lässt er verlauten. Vielleicht liegt das daran, dass er seiner neuen Mitbewohnerin nicht die Show stehlen will.
Hähne sind schwer vermittelbar
Seit die junge Dame Ursel vor wenigen Tagen zu ihm gezogen ist, muss er seinen Platz im Gehege teilen und hat gleich nach der Ankunft seiner zukünftigen Lebensgefährtin einiges einstecken müssen. Die Tierschutzbeauftragte Verena Scholz sagt lachend: „Am Anfang hat das Huhn den Hahn ganz schön vermöbelt.“ Danach hätten sie sich ineinander verliebt, erzählt sie. Jetzt warten sie auf jemanden, der ein Herz für das gefiederte Liebespaar hat und sie optimalerweise in eine bestehende Hennenschar — ohne weiteren Hahn! — integriert. Einen Hahn zu vermitteln, sei besonders schwierig, weil viele Hühnerbesitzer schon einen Hahn haben und zwei Hähne sich nur selten miteinander vertragen, sagt Scholz.
Jockel und Ursel sind zwei von insgesamt 151 Tieren, die im Tierheim leben. Einige davon leben schon lange dort, andere sind erst vor kurzem angekommen. Vor allem in der Ferienzeit kommen viele Tiere dazu. „Jetzt ist für uns Hochsaison, weil viele Tiere vor dem Urlaub ausgesetzt werden“, sagt die Tierschutzbeauftragte. Auch alte Tiere werden regelmäßig ausgesetzt (siehe Sorgenkinder im Aachener Tierheim). Das liegt daran, dass die Tiere im Alter mehr kosten, weil sie Krankheiten bekommen. Damit seien viele Tierhalter überfordert, erklärt Scholz.
Ein solches Tier im besten Alter, aber mit schwieriger Geschichte, ist Aron. Er sei ein echter Notfall, sagt Scholz. Der Berner Sennenhund ist achteinhalb Jahre alt und hat viele Tumore im Kopf. Für ihn suchen die Mitarbeiter des Tierheims eine Pflegestelle. Der Arzt des Tierheims würde weiterhin die Betreuung des Tieres übernehmen.
Hemmschwelle nehmen
Mit seinen 13 Jahren zählt auch Boo zu den sogenannten Grauschnauzen des Heims. Für diese Hunde wird keine Vermittlungsgebühr fällig. Damit soll den Interessenten eine Hemmschwelle genommen werden, sich für ein altes Tier zu entscheiden. Wie viele andere Hunde, die schwer zu vermitteln sind, hat auch Boo seine Macken. Er ist eifersüchtig. Als seine vorherigen Besitzer ein Baby bekamen, konnte er den Nachwuchs nicht akzeptieren und wurde abgegeben. Für ihn sucht Scholz mit ihren Mitarbeitern einen neuen Besitzer, der ihn nicht alleine lässt, keine Kinder hat und möglichst nicht mit ihm Auto fahren will.
Seine Ticks hat auch Madox. Der Schäferhund-Mischling ist zwar erst 1,5 Jahre alt, zählt aber auch zu den schwer vermittelbaren Tieren. Er ist ein schönes Tier. Sobald jemand in seine Nähe kommt, läuft er mit einem Ball in der Schnauze zum Gitter seines Zwingers. Mit treuem Blick, aber sichtlich aufgedreht, macht er auf sich aufmerksam. Dass er noch keinen neuen Besitzer gefunden hat, liegt daran, dass er ein Problem mit Fremden hat. Ohne Maulkorb ist Spazierengehen mit Madox nicht möglich. Begründet liegt das im Welpenalter. Der Hund kam zusammen mit sechs bis sieben anderen Hunden als Welpe ins Tierheim. Als sogenannte Kofferraum-Welpen, nachdem sie aus einem Auto gerettet wurden. Sie wurden in dem Wagen aus dem Ausland über die Grenze transportiert. Hat er die Menschen in seinem Umfeld erstmal richtig kennengelernt, sei er ein liebes Tier, dass man überall anfassen könne und der sich sogar Futter wegnehmen ließe, sagt Scholz.
Um ihn und die anderen Tiere kümmern sich rund um die Uhr 26 Mitarbeiter. Mit den Hunden besuchen sie zwei Mal pro Woche die Hundeschule und trainieren täglich zwei Stunden, um das Erlernte in den Köpfen der Tiere zu festigen und Macken wie die von Madox und Boo auszumerzen. Es ist eine Arbeit, die viel Geduld der Pfleger fordert und sie jeden Tag vor neue Herausforderungen stellt.
Unkomplizierte Hunde beliebter Rassen wie Pudel oder Labrador werden meist innerhalb der ersten vier Wochen vermittelt. Schwierige, ältere Tiere haben es schwerer. Einige verbringen sogar ihr ganzes Leben im Heim. Ob ein Tier schließlich vermittelt wird, hängt aber nicht nur vom Alter und vom Verhalten des Tieres ab, auch der Interessent muss zum Tier passen. Potenzielle Tierliebhaber müssen kein Haus mit Garten haben, sie sollten sich aber auf das Tier einstellen können, Zeit haben und Geduld mitbringen. Vor allem bei Hunden sollten sie sich bewusst sein, dass das Tier nicht alle Facetten seines Charakters von Anfang an zeigt.
Daher ist eine langfristige Planung notwendig. Wer sich für einen Hund interessiert, führt zuerst ein Gespräch mit den Pflegern. Anschließend geben sie ihren Personalausweis als Pfand ab und dürfen zwei Stunden mit dem Tier spazieren gehen und sich im wahren Wortsinn gegenseitig beschnuppern. Bis der neue Mitbewohner tatsächlich zu Hause einzieht, vergehen meist zwei bis drei Treffen. Nach erfolgreicher Vermittlung findet ein Nachtreffen statt. Den Tierheim-Mitarbeitern liegen ihre Schützlinge sehr am Herzen. Stimmt das Umfeld für die Tiere nicht, müssen sie das Veterinäramt informieren und das Tier erneut beschlagnahmen. „Das kommt zum Glück sehr selten vor“, sagt Scholz. Die meisten Tiere finden ein liebevolles, neues zu Hause.
Bis auch Jockel und Ursel sich über ein neues Heim samt Hühnerschar freuen können, werden bestimmt noch ein paar Meinungsverschiedenheiten im Hühnergehege ausgetragen. Das gehört wohl zu jeder guten Beziehung dazu — auch in der Tierwelt.