Gangelt: Thema Tourismus: „Wir fahren auf sehr kleiner Flamme“

Gangelt : Thema Tourismus: „Wir fahren auf sehr kleiner Flamme“

Gangelt liegt nicht am Meer. Im Sommer ist es nicht besonders warm, und zum Skifahren im Winter fehlen schlichtweg die Berge. Ganz zu schweigen vom Schnee. Ketzerisch gefragt: Warum also sollten Touristen sich in diese Gemeinde am westlichen Zipfel Deutschlands verirren? Was tut die Gemeinde, um Urlauber anzulocken, und wer kommt überhaupt?

Bernhard Tholen, Gangelter Bürgermeister, verteidigt: „Wir haben einen hohen Freizeitwert — nicht nur für Touristen, sondern auch für die Bürger.“ Das Rodebachtal, der Wildpark, das Infocenter am Kahnweiher und auch die zahlreichen Radstrecken locken jährlich Besucher. Nicht zu vergessen die historische Selfkantbahn, die einerseits ein Ausflugspunkt für Familien und andererseits für große Bahnfans ist.

Der Gangelter Bürgermeister Bernhard Tholen setzt in Sachen Tourismus auf bestehende Strukturen und das Marketing des Zweckverbands „Der Selfkant“
Der Gangelter Bürgermeister Bernhard Tholen setzt in Sachen Tourismus auf bestehende Strukturen und das Marketing des Zweckverbands „Der Selfkant“ Foto: Ines Kubat

Die Touristen, die Gangelt besuchen, kämen hauptsächlich aus einem Umkreis von knapp hundert Kilometern. Sie reisen also aus den Regionen Köln, Düsseldorf, Mönchengladbach und Aachen an, übernachten aber eher selten. Mehrere Tage bleiben die wenigsten.

Aber das könnte sich ändern, wenn es nach Tholen und seinen Kollegen aus den Gemeinden Selfkant und Waldfeucht ginge, die seit dem Jahr 2008 unter dem Zweckverband „Der Selfkant“ ihre Kräfte bündeln — unter anderem auch im Tourismus.

Im Rahmen von Leader-Fördermitteln wurde ein Konzept zum Thema Tourismus erstellt, das Tholen unter dem ehrfurchtgebietenden Namen „Masterplan“ vorstellt.

Ziel des Masterplans ist, dass die drei Gemeinden gemeinsam nach außen werben. „Es macht keinen Sinn, wenn jeder seine eigene Karte druckt“, sagt Tholen. Denn was die drei Gemeinden eint, ist ihre ähnliche Ausgangslage, was den Tourismus angeht. Alle drei haben ländliche und naturnahe Strukturen und eignen sich durch wenige Hügel besonders zum Radfahren.

Erste Maßnahmen aus dem Masterplan sind gemeinsame Veröffentlichungen, wie zum Beispiel von einer Radfibel und einem jährlichen Veranstaltungskalender. Sowohl Fibel als auch Kalender werden lokal verteilt und in Infocentren ausgelegt. Außerdem gibt es seit Erstellung des Masterplans gemeinsame Aktionen, wie den jüngsten Radwandertag oder die Eröffnung des Westzipfelpunkts Ende Juni in der Gemeinde Selfkant .

Der Masterplan hatte auf eben diesen bedeutsamen geografischen Punkt als Merkmal der Region hingewiesen und vorgeschlagen, ihn als touristische Attraktion zu erschließen. Denn der Masterplan zeigte vor allem eins: Stärken nutzen! Und die liegen nun mal im ländlichen Charme der Region.

Ein weiterer großer Baustein des Masterplans ist der Ausbau des Radwegenetzes der drei Gemeinden bis zum „Premium“-Status. Dazu gehört, dass Radtouristen der „full service“ geboten wird. Tholen füllt den Begriff mit Leben: „Full service“ bedeute unter anderem, „E-Bikes“ anzuschaffen, Aufladestationen und mehrere Infopunkte einzurichten sowie eine App mit regionalen Karten anzubieten — die Liste scheint endlos.

„In anderen Regionen, die diesen full service anbieten, kann man im Internet mit einem Klick einen Sieben-Tage-Radwander-Urlaub buchen. Da werden sogar die Koffer von A nach B gebracht“, sagt Tholen.

So weit ist aber weder die Gemeinde Gangelt noch die anderen Kommunen im Zweckverband Selfkant: „So etwas haben wir noch nicht“, sagt der Bürgermeister. Immerhin hat der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) bereits sämtliche Radwege bewertet und eine Aufstellung gegeben. 2000 Euro habe das Ganze gekostet. „Wir wissen jetzt, wo es Mängel gibt. Das heißt aber nicht, dass wir sie sofort beheben könnten.“

Denn um die großen Prädikate wie „Premium“, „Master“ und „full service“ zu erreichen, braucht es vor allem eins: Geld. Und das hat der Zweckverband nur sehr begrenzt zu Verfügung. Denn dessen Budget richtet sich am finanzschwächsten Mitglied aus. Innerhalb des Dreigestirns ist das die Gemeinde Waldfeucht, die im Haushaltssicherungskonzept steckt und jede freiwillige Ausgabe genehmigt bekommen muss. Und touristische Ausgaben stehen da vermutlich nicht ganz oben auf der Dringlichkeitsskala.

„Wir haben einige Maßnahmen umgesetzt, aber eher kleine Dinge“, sagt Tholen, „man muss ehrlich sein: Wir fahren auf sehr kleiner Flamme“.

Könnte eine Gemeinde wie Gangelt, die einen ausgeglichenen Haushalt hat, nicht vielleicht alleine mehr in den Tourismus investieren? „Ich möchte den Zweckverband, die Solidargemeinschaft, nicht in Frage stellen. Finanzen können sich ändern.“

Schließlich sei der Zweckverband hauptsächlich für die Tourismus-Vermarktung zuständig. Das hieße nicht, dass Gangelt an einzelnen Stellen nicht selbst in den Tourismus investieren könnte.

Doch Tholen sieht vor allem die Notwendigkeit, in Gangelt die touristische Infrastruktur wie sie jetzt ist, aufrecht zu erhalten: „Wir bauen hier keine Schlösser“, sagt er treffend. Stattdessen unterstütze die Gemeinde unter anderem das defizitäre Freibad, damit es bei gleichbleibenden Preisen weiter bestehen kann. Das Infocenter am Weiher wird ebenfalls betrieben, und die alte Mühle, in der Trauungen stattfinden, wird neuerdings beleuchtet. Dies sind Beispiele zaghafter Investitionen, um das Alte aufrecht zu erhalten.

Tholen geht es dabei darum, nicht nur Touristen zu bedienen, sondern auch den Bürgern einen Freizeitwert zu bieten: „Denn es gibt Familien, die es sich nicht leisten können, im Urlaub wegzufahren.“