Aachen: Sprachförderschulen: Förderung soll nicht mittags enden

Aachen : Sprachförderschulen: Förderung soll nicht mittags enden

Das Anliegen wurde auf durchaus ungewöhnliche Weise vorgetragen: Die Kinder der Sprachförderschulen der Städteregion hatten Filme gedreht, um ihrem Wunsch nach einem Ausbau des offenen Ganztagsbetriebs Nachdruck zu verleihen.

Die Sequenzen, die im Schulausschuss präsentiert wurden, vermittelten in sehr unterhaltsamer Weise, was in den drei Primareinrichtungen so alles gemacht wird, wenn der reguläre Unterricht beendet ist. „Wir möchten die Förderung unserer Kinder nicht auf den Vormittag beschränken“, sagt Brigitte Kaltwasser. An der von ihr geleiteten Erich-Kästner-Schule in Eschweiler, der Aachener Lindenschule und der Martinus-Schule in Baesweiler wird die Arbeit deshalb am Nachmittag fortgesetzt.

Nach einer Mahlzeit stehen Hausaufgabenbetreuung, individuelle Fördereinheiten und eine Vielzahl von Kursen auf dem Programm. Das zeigt Wirkung: „Die Kinder bekommen wesentlich mehr Struktur. Oftmals sind schon nach einem Jahr deutliche Fortschritte festzustellen“, berichtet Kaltwassers Stellvertreterin Karin Assmann. Die Erkenntnis hat sich in der Elternschaft herumgesprochen — mit der Folge, dass alle drei Einrichtungen mittlerweile über lange Wartelisten verfügen.

Entspannung aber ist nun in Sicht. Nach dem einstimmigen Votum des Schulausschusses sollen insgesamt vier zusätzliche Gruppen mit jeweils zwölf Kindern im offenen Ganztag der städteregionalen Sprachförderschulen eingerichtet werden — in Eschweiler und Baesweiler jeweils eine weitere zu den bereits bestehenden vier, in der Lindenschule sogar zwei, womit das Angebot auf dann neun Gruppen aufgestockt wird.

17.700 Euro pro Schuljahr und Gruppe wird das die Städteregion kosten — eine sogenannte freiwillige Ausgabe, die nach Überzeugung von Verwaltung, Politik und natürlich den Schulleitungen aber sehr gut angelegt ist. „Denn Sprache ist der Schlüssel zur Welt“, wie es Brigitte Kaltwasser formuliert.

Doch nicht jedes Kind hält diesen Schlüssel in der Hand. Im Gegenteil: „Immer mehr Kinder haben nicht nur in der Sprache, sondern auch im physisch-motorischen und sozial-emotionalen Bereich einen Förderbedarf“, weiß die Schulleiterin aus vielfacher Erfahrung. Umso wichtiger sei es, diesem Trend mit einer Erweiterung des nachmittäglichen Angebotes entgegenzuwirken.

„Denn wir können das leisten, was das soziale Umfeld der Kinder oftmals nicht leisten kann.“ Die sprachliche Auseinandersetzung miteinander komme heute in den Familien oftmals zu kurz. „Und vielen Kindern fehlen zudem die praktischen Erfahrungen, die den Weg zu den Worten ebnen.“ Dies sei ein Gesellschaftsproblem.

An den Grundsätzen der Sprachförderschulen ändert dies jedoch nichts. „Wir bieten Unterricht nach den Richtlinien für Grundschulen an. Und wir versuchen nach wie vor, den Kindern in Absprache mit den Eltern den Übergang an eine Regelschule zu ermöglichen“, betont Brigitte Kaltwasser. Und durch die Aufnahme der Kinder in den offenen Ganztag stiegen die Chancen, dieses Ziel auch zu erreichen.

Doch warum führt man den gebundenen Ganztag nicht für alle Sprachförderschüler im Primarbereich ein? „Den sieht das NRW-Schulgesetz bislang nur für Förderschulen mit den Schwerpunkten geistige und körperliche Entwicklung vor“, bedauert Brigitte Kaltwasser. Als es Ende des vergangenen Jahrzehnts erste Überlegungen zur Einführung des Ganztags an den städteregionalen Sprachförderschulen gegeben habe, sei die gebundene, das heißt verpflichtende Variante ihre erste Wahl gewesen, blickt die Leiterin zurück. „Doch das war damals politisch nicht realisierbar.“

Letztlich beschloss der Städteregionstag am 18. März 2010 die Einführung des offenen Ganztagsbetriebes. Den setzt die Erich-Kästner-Schule derzeit in vier Gruppen mit 48 Kindern um. Beteiligt sind vier Gruppenleiter, eine Lernhelferin, eine Hauswirtschafterin sowie das Lehrerkollegium mit 22 Wochenstunden. Mit der Eröffnung einer weiteren Gruppe wird das Personal anteilig aufgestockt.

Wie es danach weitergehen wird, vermögen Brigitte Kaltwasser und Karin Assmann nicht einzuschätzen. Mit großem Interesse aber verfolgen sie die Entwicklung an der Rudolf-Hildebrand-Schule in Düsseldorf, wo es neben einem offenen Angebot auch zwei Klassen im gebundenen Ganztag gibt. „Das ist ein sehr schönes Modell“, finden die Leiterinnen.

Sterne

Ob es sich durchsetzen und irgendwann auch in Aachen, Baesweiler und Eschweiler eingeführt wird, steht jedoch in den Sternen. Deshalb ist man dort fürs Erste froh, dass der vorhandene offene Ganztagsbetrieb ausgeweitet werden kann.