Geilenkirchen/Heinsberg: Richterin sagt klipp und klar: „Noch mal Flasche? Zelle!“

Geilenkirchen/Heinsberg : Richterin sagt klipp und klar: „Noch mal Flasche? Zelle!“

Für gewöhnlich fragt Richterin Corinna Waßmuth als erstes die Personalien des Angeklagten ab, und bei R. wurde da keine Ausnahme gemacht. Nicht dem gewohnten Ablauf entsprach allerdings, dass der Angeklagte stumm blieb. Stattdessen griff sein Rechtsanwalt ein: „Mein Mandant ist volltrunken“, sagte er.

Der Verhandlungstermin war damit beendet, schon bevor die Staatsanwältin auch nur die Anklage verlesen hatte.

Aussagen hinfällig

Eigentlich hätte ein Fall von sexueller Nötigung verhandelt werden sollen, der sich nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft im vergangenen August in einem Heinsberger Altenwohnheim abgespielt haben soll. Sowohl der Angeklagte als auch das mutmaßliche Opfer sind Bewohner des Heims. Aufgrund der Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten waren nun jedoch sämtliche Zeugenaussagen hinfällig.

Der Angeklagte ist offenbar Quartalsalkoholiker, wie seine Tochter von der Zuschauerbank aus erläuterte, also einer jener Trinker, die monatelang keinen Tropfen anrühren, sich dann aber besonders exzessiv betrinken, womöglich über Tage oder gar Wochen hinweg. So musste auch R. die vergangenen Tage zugebracht haben, bevor es Anwalt und Tochter gelang, ihn morgens aus dem Altenheim zu holen und ins Amtsgericht zu befördern.

Dort saß der 66-Jährige nun weitgehend apathisch neben seinem Rechtswalt und schien nur bruchstückhaft mitzubekommen, was um ihn herum geschah. Immerhin konnte er die Frage der Richterin beantworten, was und wie viel er denn getrunken hatte: „Doppelkorn, Flasche.“

Richterin Waßmuth machte kein Geheimnis daraus, dass sie über den Auftritt mehr als verärgert war, und zwar gerade mit Blick auf zwei hochbetagte Zeuginnen, die trotz deutlichen Gebrechens den Weg nach Geilenkirchen auf sich genommen hatten.

„Wenn Sie unschuldig sind, dann bietet es sich an, nüchtern herzukommen und die Sache zu klären“, schimpfte Waßmuth und machte deutlich, mit welchen Konsequenzen der Angeklagte zu rechnen hat, wenn sich dies wiederholt: „Noch mal Flasche? Zelle! Das ist ganz einfach und auch nach einer Flasche Korn noch zu verstehen!“

Dass der Angeklagte nicht auf der Stelle in Gewahrsam kam, hatte er auch seiner Tochter zu verdanken, die versprach, ihren Vater in den Tagen vor dem nächsten Versuch bei sich zu Hause aufzunehmen und ein Auge auf ihn zu haben. Der neue Termin ist am Dienstag, 5. Juni, 13 Uhr, und kann dann hoffentlich seinem eigentlichen Zweck dienen: der Wahrheitsfindung. Diese Woche wurde den Anwesenden stattdessen die traurige Tatsache vor Augen geführt, dass in unserer Mitte Menschen leben, die im fortgeschrittenen Alter nicht mehr mit sich anzufangen wissen als sich um den Verstand zu saufen.

(jpm)