Kreis Heinsberg: Patchwork-Familie ist ein schwieriges Gefüge

Kreis Heinsberg : Patchwork-Familie ist ein schwieriges Gefüge

Als Patchwork-Familie gilt eine Familie, bei der mindestens ein Elternteil ein Kind aus einer früheren Beziehung in die neue Familie mit eingebracht hat.

Um mehr über das Leben in solchen Familien zu erfahren, hatte das Starke-Kids-Netzwerk der AOK den Diplom-Psychologen, Psychotherapeuten und Buchautor Gerhard Bliersbach aus Hückelhoven zu einer Lesung in die Heinsberger Stadthalle eingeladen.

„Leben in Patchwork-Familien” lautet der Titel seines Buches, das 2007 in einer zweiten Auflage erschienen ist. „Auch wenn das Lebensereignis Scheidung zum statistischen Normalfall geworden ist, ist die daraus folgende Lebenswirklichkeit nicht normal”, betonte Bliersbach im Vorwort.

191.000 Ehen seien im Jahre 2008 geschieden worden, schickte er seiner Lesung die aktuellsten statistischen Daten voran. In der Hälfte davon hätten Kinder im Alter von unter 18 Jahren gelebt. „150 200 erlebten die Katastrophe!”

Was dann als Lesung folgte, war der Blick in eine Beispielfamilie: Mutter Petra mit ihren fast erwachsenen Söhnen Matthias und Jochen, mit Stiefvater Georg und der gemeinsamen, kleinen Tochter Julia. Nachdem Bliersbach seine Zuhörer zunächst mitgenommen hatte, diese Familie an einem „Winterabend der Gereiztheit” zu beobachten, verdeutlichte er sodann die Unterschiede zu einer gewachsenen Familie. Da sei zunächst die „schnelle Elternschaft”, so Bliersbach.

Zudem gebe es eine Asymmetrie in der Form, dass der leibliche Elternteil seine Beziehungsgeschichte zu seinen Kindern habe, der Stiefelternteil sie erst noch entwickeln müsse. Und dann bestehe noch das Problem der gefühlshaften Grenzen. „Das Problem ist der Prozess der Integration”, so der Autor. „Weil die Mitglieder in der Patchwork-Familie die Grenzen ihrer inneren Räume voneinander nicht kennen, finden ständig Grenzüberschreitungen statt.”

So sei die Patchwork-Familie ein schwieriges familiäres Gefüge, welches offenbar besonderer Anstrengungen bedürfe, bis ihre Mitglieder ihre Rückzugsmöglichkeiten gefunden hätten und sich wohl fühlen würden. „Bis dahin läuft viel Besuch durchs Haus”, so Bliersbach. Im Detail betrachtete er mit seinen Zuhörern dann noch die Kinder und die Mutter in der neuen Situation.

Patchwork-Familien würden nie für sich alleine bestehen, sonder immer in Beziehung stehen zu mindestens einem zweiten familiären System, fasste Gerhard Bliersbach die Problematik in der anschließenden Diskussion zusammen. Seine „Idee”, damit es trotzdem funktioniert: „Der leibliche Elternteil hat das Sagen, der nicht leibliche hält sich zurück.” Wenn jedoch alles gut funktioniere, könne das breiter angelegte Beziehungssystem für alle Beteiligten sehr anregend sein.