Kreis Heinsberg : Nach Genua: Brücken unter Kontrolle
Kreis Heinsberg Erst wenige Wochen ist es her, dass die Welt schockiert ihren Blick in Richtung Genua lenkte. Auf 250 Metern Länge war eine vierspurige Autobahnbrücke eingestürzt und hatte über 40 Menschen in den Tod gerissen. Bei nicht wenigen Menschen schlich sich auch hierzulande der Gedanke ein, ob Ähnliches vielleicht quasi vor der Haustür geschehen könnte. Ein Horrorszenario.
Und die Zahlen der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), die anhand von Inspektionsberichten 5000 der rund 40.000 Brücken an Bundesfernstraßen im Land mit der Note „nicht ausreichend“ und über 700 sogar mit „ungenügend“ bewertete, schafften auf den ersten Blick nicht gerade Vertrauen. Zum Glück bedeutet auch eine solch schlechte Bewertung nicht, dass die Brücke akut vom Einsturz bedroht ist, sondern dient vielmehr als Alarmsignal, schnellstmöglich Reparaturen oder Verkehrsbeschränkungen anzuordnen. Das bestätigt auch Anja Huth, die für Straßen NRW als Bauwerksprüferin unter anderem 208 Brücken im Kreis Heinsberg kontrolliert.
„Die älteste Brücke überführt die Schwalm in Wegberg und ist aus dem Jahre 1937, mit einer Zustandsnote von 2,1“, sagt Anja Huth. Übersetzt bedeutet das laut BASt soviel wie ein gutes Befriedigend. Die gelernte Bauzeichnerin und studierte Bauingenieurin ist seit drei Jahren für Straßen NRW in der Region unterwegs. Studiert hat die gebürtige Eisenhüttenstädterin in Nürnberg und dabei ihre Liebe zu den imposanten Stahl- und Betonkolossen entdeckt. „Brücken sind sehr schöne Bauwerke und verbinden Dinge miteinander“, gibt sie als persönliche, durchaus emotionale Begründung an. Das machen sie in der Tat, würde man alle Brücken Deutschlands aneinanderreihen, so ergäbe das eine Strecke von Berlin bis Moskau.
„Wenn eine Brücke nach der Fertigstellung abgenommen wird, muss all das geprüft werden, was vertraglich vereinbart wurde — von der Fahrbahn über die Widerlager, wo die Brücke drauf liegt, bis hin zum Überbau.“ Bei kleineren Brücken dauere die Prüfung in der Regel nur zwei bis drei Stunden, bei einer großen Rheinbrücke vergingen aber auch schon einmal mehrere Tage, bis alles gecheckt sei. Mit dem Hammer wird dabei zum Beispiel nach Hohlräumen oder Korrosionsschäden gesucht.
Der Saeffeler Bach in Gangelt, an dem Anja Huth heute unterwegs ist, sei ein Bauwerk, das man zu jeder Zeit prüfen könne. „Nicht bei jedem Bauwerk ist das möglich. Für sehr viele Bauwerke benötigt man eine Verkehrsabsicherung oder Sperrung, um eine Prüfung machen zu können. Im Bereich von Autobahnen oder bei Eisenbahnbrücken ist dies oft nur in der Nacht oder am Wochenende möglich, und leider spielt dann nicht immer das Wetter mit.“
Alle Sechs Jahre eine Prüfung
Die erste Hauptprüfung sei vor der Abnahme der Bauleistung, die zweite Hauptprüfung vor Ablauf der Verjährungsfrist für die Gewährleistung durchzuführen, erklärt Anja Huth. Danach seien die Brücken jedes sechste Jahr einer Hauptprüfung zu unterziehen.
Keine leichte Aufgabe, wie sich bei einer Beschreibung der Aufgaben schnell zeigt. „Bei den Hauptprüfungen sind alle, auch die schwer zugänglichen Bauwerksteile, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Besichtigungseinrichtungen, Rüstungen und ähnlichen Dingen handnah zu prüfen. Abdeckungen von Bauwerksteilen, zum Beispiel Schutzhauben bei Seilen, Lagermanschetten, Schutzhüllen oder Schachtabdeckungen sind zu öffnen.“
Straßen NRW unterziehe die Brücken alle drei Jahre einer kompletten Prüfung. „Dazwischen gibt es sogenannte Beobachtungen durch die Straßenmeisterei“, sagt Anja Huth. „Dazu kommen noch Sonderprüfungen, wenn es zum Beispiel Hochwasser gab oder nach größeren Unfällen.“
Auch die kleine hölzerne Fußgänger- und Radwegebrücke in Tripsrath, parallel zur B 56, die kürzlich erst überregional in das Ranking der schlechtesten Brücken Deutschlands gerutscht war, wurde auf diese Weise aus dem Verkehr gezogen. Sie wurde abgerissen und wird nun durch Fertigteile aus Metall ersetzt.
Aufgrund des dichten Netzes von Kontrollen ist Anja Huth in einem Punkt durchaus zuversichtlich: „Wenn wirklich die regelmäßigen Prüfungen gemacht werden, denke ich nicht, dass so etwas wie in Genua bei uns passieren kann.“