Düren : Missbrauch macht vor Handicap nicht Halt
Düren „Sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen ist eine der schlimmsten Formen von Diskriminierung“, betonte die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Düren, Doris Peitz, bei der Eröffnung der Fachtagung „Gewalt gegen Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen“.
„Entgegen häufiger Annahmen sind diese Frauen und Mädchen nicht nur von allen Formen der Gewalt betroffen, sondern sogar häufiger als Mädchen und Frauen ohne Behinderungen“, unterstrich die Gleichstellungsbeauftragte.
Zu diesem Ergebnis kommt die erste repräsentative Studie in Europa „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland“, die Referentin Martina Puschke im Rahmen ihres Vortrages vorstellte. Die Studie wurde 2012 im Auftrag des Bundesfamilienministeriums veröffentlicht und zeigt den enormen Handlungsbedarf.
„Fehlende Aufklärung, fehlende Informationen und fehlender Schutz der Privat- und Intimsphäre sind nur ein paar der Probleme, die dringend behoben werden müssen“, hob die Referentin hervor. „ Es fehlt sowohl an barrierefreien Unterstützungsangeboten als auch an einem speziell auf Frauen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen abgestimmten Gewaltschutzgesetz“, beklagte die Pädagogin.
„Oftmals werden Vorfälle nicht bekannt und kaum polizeilich angezeigt. Meist glaubt man den Opfern nicht, weil sexuelle Gewalt an Menschen mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen als nicht vorstellbar gilt“, ergänzte die 46-Jährige.
„Schutz vor Gewalt ist ein Menschenrecht und keine freiwillige Leistung, die je nach Zeit und Kassenlage auf den Tagesplan kommt“, stellte Martina Puschke mit Nachdruck heraus.
Das „Weibernetz“
Selbst ist sie bereits seit 2003 Projektleiterin in der politischen Interessenvertretung behinderter Frauen im „Weibernetz“, das frauenparteilich und behinderungsübergreifend arbeitet. „Die Frauen bei uns sind Expertinnen in eigener Sache“, erläuterte Puschke.
Im Projekt „Frauen-Beauftragte in Einrichtungen“ wurden innerhalb eines Jahres 16 Frauen aus acht Bundesländern unter dem Motto „Von Frauen mit Lernschwierigkeiten für Frauen mit Lernschwierigkeiten“ geschult. Eine davon ist Andrea Bongartz, die seit zwei Jahren als Frauenbeauftragte bei den Lebenshilfe-Werkstätten Aachen arbeitet und von ihren Erfahrungen aus der Praxis berichtete.
„Für meine Arbeit als Frauenbeauftragte werde ich freigestellt. Einmal wöchentlich können Frauen zu mir in die Sprechstunde kommen, aber ich begleite sie auch beispielsweise zu Terminen“, berichtete sie und bekräftigte: „Ich kämpfe sehr stark dafür, dass es mehr Frauenbeauftragte gibt.“
Dieses Ziel verfolgt auch das „Weibernetz“ mit seinem neuen Projekt „Frauen-Beauftragte in Einrichtungen: Eine Idee macht Schule“. Sogenannte Multiplikatorinnen sollen ausgebildet werden, die Frauen-Beauftragte schulen. Start ist noch im Oktober.