Kreis Düren : Leiteren der Aids-Beratungsstelle hat Betroffene fest im Blick
Kreis Düren Freitag ist Welt-Aidstag. Aber warum ist dieser Tag überhaupt immer noch wichtig? Immerhin gibt es HIV seit mehr als 30 Jahren. Und wie gehen Jugendliche mit dieser Krankheit, für die es immer noch keine Impfung gibt, um? Womit kämpfen Betroffene heute besonders?
Fragen, die unsere Mitarbeiterin Sandra Kinkel Dr. Nicole Savelsberg (59) gestellt hat. Die Medizinerin leitet die Aidsberatungsstelle des Kreises Düren.
Wie viele Menschen mit HIV leben im Kreis Düren?
Nicole Savelsberg: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aids oder der HI-Virus sind keine meldepflichtigen Krankheiten. Meldepflicht macht nur dann Sinn, wenn die Krankheiten auch heilbar sind.
Das verstehe ich nicht.
Savelsberg: Mit der Meldepflicht geht einher, dass die Patienten ein Recht auf Heilung haben. Aids ist nicht heilbar, also gibt es auch keine Meldepflicht.
Wie viele Menschen, die an Aids erkrankt oder mit dem HI-Virus infiziert sind, betreuen Sie?
Savelsberg: Im Augenblick sind es 25, aber es waren auch schon deutlich mehr. Die medizinische Versorgung der Patienten ist heute deutlich besser. Es gibt mittlerweile sehr gute Therapien und Medikamente. Wer sich heute mit dem HI-Virus infiziert, hat trotzdem eine annähernd normale Lebenserwartung.
Sie haben vor 30 Jahren die Leitung der Aidsberatungsstelle des Kreises Düren übernommen, die Stelle war gerade neu gegründet worden. Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt?
Savelsberg: Dass es eine Aufgabe war, die es vorher so nicht gab. Ich konnte meine Arbeit immer selbst definieren.
Was genau sind Ihre Aufgaben?
Savelsberg: Meine Arbeit besteht aus drei Säulen: Ich arbeite präventiv, auch mit Schulen, ich betreue Betroffene und auch Organisationen wie beispielsweise Schulen oder Betriebe, in denen es Betroffene gibt, und ich mache HIV-Tests.
Warum brauchen wir eigentlich immer noch einen Welt-Aidstag? Eigentlich könnte man doch meinen, dass die Krankheit mittlerweile im Bewusstsein aller angekommen ist.
Savelsberg: Das wäre super, ist aber leider nicht so. Natürlich hat sich in den vergangenen 30 Jahren viel verändert. Trotzdem werden wir immer wieder an Aids und HIV erinnern müssen. Viele Menschen haben beispielsweise immer noch Angst im Umgang mit den Betroffenen. Und die Zahl der Neuansteckungen in Deutschland stagniert. Anders ausgedrückt: Es gibt nicht weniger Neuansteckungen.
Warum ist das so? Man kann sich doch wirksam schützen.
Savelsberg: Das ist keine einfache Frage. Natürlich gibt es unzählige Informationen über Aids im Internet, aber es kommen immer wieder Menschen zu mir in die Sprechstunde, die davon total verwirrt sind, weil die Angaben nicht eindeutig sind. Zum anderen ist die Tatsache, dass HIV auch bei der Sexualität übertragen werden kann, ein Problem. Tod und Krankheit auf der einen und Sexualität auf der anderen Seite sind eine schlechte Kombination, die im Kopf fast nicht zu vereinbaren ist. Ich sage immer, dass man sich lange vorher klar machen muss, dass man nur geschützt Sex haben muss. In der Situation selbst ist es zu spät.
Ich frage noch einmal: Gerade für junge Leute sollten Kondome doch eine völlig normale Sache sein.
Savelsberg: Ja, und trotzdem kommt es immer noch vor, dass eben kein Kondom benutzt wird — weil es vergessen wurde, man kein Kondom dabei hatte oder zu viel Alkohol im Spiel war.
Mit welchen Schwierigkeiten haben Betroffene heute zu kämpfen?
Savelsberg: In den vergangenen 30 Jahren hat sich viel verbessert. Früher gab es im Umgang mit den Betroffenen eine unglaubliche Hysterie. Das ist heute Gott sei Dank nicht mehr so. Trotzdem ist die Angst vor Ausgrenzung bei den meisten Betroffenen immer noch sehr groß. Menschen mit HIV befürchten sehr häufig, ihren Job zu verlieren und zu verarmen. Eltern von betroffenen Kindern haben Angst, dass ihre Töchter oder Söhne gemieden werden. Aber auch die Tatsache, ein Leben lang Medikamente mit starken Nebenwirkungen einnehmen zu müssen, macht vielen Angst.
Raten Sie den Betroffenen, offen mit ihrer Erkrankung umzugehen?
Savelsberg: Das kann ich nicht pauschal sagen. Menschen, die offen mit ihrer Krankheit umgehen möchten, unterstütze ich dabei — zum Beispiel, indem ich sie zum Gespräch mit ihrem Arbeitgeber begleite. Ganz wichtig ist, dass jeder sich klarmacht, dass man sich beim ganz normalen Umgang miteinander nicht mit HIV infizieren kann.
Was ist Ihr Wunsch zum Welt-Aidstag?
Savelsberg: Dass der betroffene Mensch im Vordergrund steht und weniger seine Krankheit.