Städteregion : Filmprojekt als Reaktion auf die Tihange-Verunsicherung
Städteregion Die Szene wirkt bedrückend: In einem fensterlosen Vorratskeller, der gerade mal fünf Quadratmeter misst, haben drei junge Menschen Zuflucht gefunden. Am liebsten würden sie so schnell wie möglich raus aus ihrer Stadt. Denn in Tihange ist es zu einem schweren nuklearen Störfall gekommen.
Doch es fehlen die Mittel und die Zeit. Also bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich mit einigen Vorräten, Matratzen und Schlafsäcken unter der Erde zu verschanzen. Wie es weitergehen wird? Sie wissen es nicht.
Die Klappe fällt, die Szene ist gedreht. Jetzt wird wieder gelacht, auch wenn das Thema ein sehr ernstes ist. Noch bis Ende April läuft das neueste Projekt von „Nocase“, der gemeinnützigen inklusiven Filmgesellschaft mit Sitz in Eschweiler. Dann soll der knapp einstündige Streifen fertig sein. In dessen Mittelpunkt stehen das marode Atomkraftwerk im belgischen Tihange und seine möglichen Auswirkungen auf die Menschen in der Städteregion.
„Die Idee zu dem Film ist im vergangenen Jahr entstanden, als mit der Verteilung von Jodtabletten begonnen wurde“, berichtet Geschäftsführerin Claudia Schmoldt. „Die jungen Leute, mit denen wir zusammenarbeiten, hatten große Sorgen und zahlreiche Fragen und fühlten sich nicht richtig aufgeklärt.“
Sie beschlossen, sich genauer zu informieren, zu recherchieren und ihre Erfahrungen und Informationen filmisch zu verarbeiten. „Dabei stellten wir fest, dass viele andere Menschen ebenfalls verunsichert und nur unzureichend informiert sind“, berichtet Henrik Schnitzler. Der 17-Jährige hat über ein Schulpraktikum den Weg zu „Nocase“ gefunden und ist seitdem regelmäßiger Gast in den Studioräumen in Eschweiler.
Der Film, dessen Titel noch nicht verraten wird, soll eine Orientierungshilfe bieten. „Und auf keinen Fall Ängste schüren“, betont Schmoldt und blickt zurück: „Die Entstehungsgeschichte war äußerst interessant, denn jeder hatte eine ganz eigene Vorstellung vom Drehplan und der Machart des Films. Letztlich haben wir uns auf eine Kombination geeinigt.“ So finden dokumentarische Passagen, Interviews und szenische Darstellungen zusammen.
Die Protagonisten sind — vor und hinter der Kamera — die jungen Teilnehmer des Projektes, im Alter von elf bis 25 Jahren. Von der Grundlagenrecherche über das Schreiben des Drehbuches bis hin zum Schnitt übernehmen sie — unterstützt von professionellen Filmemachern aus Eschweiler, Aachen, Münster und Dortmund — alle wesentlichen Arbeiten. Wobei Flexibilität ganz groß geschrieben wird. „Wir lassen uns ein Stück weit treiben in diesem Projekt, weil immer neue Fragen auftauchen“, erklärt Claudia Schmoldt.
In der knapp 30-köpfigen Gruppe kommt das sehr gut an. Armin Lepirica (18) beispielsweise ist begeistert — nicht nur vom aktuellen Projekt. Vor zwei Jahren hatte er im Rahmen eines filmisch begleiteten Bewerbungstrainings erstmals Kontakt mit „Nocase“. „Und seitdem bin ich dabei geblieben und mache alles, was bei einem solchen Projekt anfällt.“
Zum Thema Tihange hat er eine klare Meinung: „Das AKW muss abgeschaltet werden.“ Doch weil der Berufsschüler davon ausgeht, dass dies so schnell nicht passieren wird, hält er die aktuelle Filmproduktion für sehr wichtig: „Sie liefert viele Informationen, klärt auf und gibt Tipps, wie man sich auf eine mögliche Krisensituation vorbereiten kann.“
Politik wird in dem Film hingegen kein Thema sein. „Wir wollen neutral sein und uns nicht zu den laufenden politischen Diskussionen positionieren“, stellt Claudia Schmoldt klar. Deshalb wurde beispielsweise auch auf ein Interview mit Städteregionsrat Helmut Etschenberg, der zu den vehementesten Gegnern der belgischen Atomkraftwerke zählt, verzichtet. Schmoldt stellt klar: „Uns geht es alleine darum, das Thema Tihange informativ aufzugreifen, und zwar aus der Sicht von Kindern und Jugendlichen.“
In gut sieben Wochen soll alles im Kasten sein, dann endet auch die Förderung des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR). Im Juni wird die öffentliche Präsentation folgen. Das genaue Datum und der Ort stehen noch nicht fest. Gut möglich aber, dass „Nocase“, auch was die „Location“ angeht, an das überaus erfolgreiche Vorgängerprojekt anknüpfen wird. An das erste inklusive Filmfestival, das im vergangenen März im Alsdorfer Cinetower für viel Furore gesorgt hat, erinnern sich alle Beteiligten auch heute noch gerne . . .