Städteregion : Eine richtige Wohlfühloase für Reptilien in Stolberg
Städteregion Nessie sträubt sich ein wenig. Ihr stacheliger, gelb-brauner Körper zappelt in den Händen von Amine Fehr. Die Tierheilpraktikerin setzt Nessie auf die Waage in ihrer Praxis in Stolberg-Büsbach. Die weibliche Bartagame beruhigt sich, hält die Krallen jetzt still unter dem Körper. Sie lässt die Routineprozedur über sich ergehen.
Nessie ist seit einigen Wochen Bewohnerin der Reptilienauffangstation in Büsbach. Auf rund 100 Quadratmetern sind hier unter anderem Geckos, Leguane, Chamäleons, ungiftige Schlangen und Amphibien untergebracht. Außerdem unterhält Amine Fehr die Quarantäne- und Auffangstation für Landschildkröten der Städteregion.
Schon seit 2014 Landschildkröten
Landschildkröten werden hier bereits seit 2014 aufgenommen. Bei einer beschränkten Ausschreibung fiel die Wahl auf die Tierheilpraxis von Fehr. Für die Untere Naturschutzbehörde, die für den Artenschutz zuständig ist, bedeutet die Station eine enorme Entlastung.
„Vorher war es schwierig, für die vielen Tiere, die in der Region gefunden oder beschlagnahmt wurden, einen Platz zu finden“, erzählt Petra Gronowski vom Umweltamt der Städteregion. Tierheime verfügten oft nicht über eine geeignete Ausstattung oder über eine Genehmigung für die Haltung artgeschützter Tiere. „Eine behördliche Auffangstation ist eine Seltenheit“, betont Gronowski. Die Station biete nicht nur genügend Kapazitäten, sondern gewährleiste auch eine qualitativ hochwertige Unterbringung.
Da Amine Fehr aber nicht nur Schildkröten-Expertin ist, sondern in ihrer Praxis auch andere Reptilien und Amphibien behandelt, wurde die Station im vergangenen Jahr erweitert. Die Reptilienabteilung ist keine behördliche Einrichtung, bietet aber dennoch Kapazitäten für von den Ämtern beschlagnahmte und gefundene oder von Privatpersonen abgegebene Tiere. Deren Unterbringung zahlt dann das zuständige Amt oder der ehemalige Halter.
„Die Tiere kommen aus der ganzen Städteregion“, erzählt Fehr. Teilweise wird sie sogar von Besitzern aus anderen Teilen Deutschlands kontaktiert, weil die Kapazitäten in Tierheimen und vergleichbaren Stationen so knapp seien. „Im Grunde sind wir 24 Stunden am Tag auf Abruf. Wenn ich einen Anruf bekommen, dass die Städteregion ein verletztes Tier gefunden hat, stehe ich in der Praxis.“
Besonders selten sei die direkte Kombination von medizinischer Untersuchung und Auffangstation, erklärt Fehr. Tiere wie Nessie bekommen hier daher eine Rundum-Behandlung. Bei der Aufnahme wird zunächst mit einer Allgemeinuntersuchung der Gesundheitszustand festgestellt. Bei allen Tieren wird zum Beispiel eine parasitologische Untersuchung vorgenommen, bei Schildkröten standardmäßig eine Blutuntersuchung gemacht. Dann kommen die Tiere in Quarantäne, bis die Ergebnisse da sind.
Neben mechanischen Verletzungen und Augenentzündungen leiden viele Tiere unter viralen Erkrankungen. Bei Landschildkröten besonders häufig: Herpes-Infektionen. Werden sie nicht rechtzeitig erkannt, kann die Erkrankung für die Schildkröte tödlich verlaufen. Da infizierte Tiere nur einzeln oder mit Artgenossen gehalten werden können, die die gleiche Erkrankung haben, sind sie schwieriger zu vermitteln. Auf dem Stolberger Gnadenhof wurde deshalb ein Herpesgehege angelegt, in dem die infizierten Schildkröten nach Herpestypen getrennt leben.
Wirklich lange bleiben die Tiere aber auch hier nicht. Selbst für den „schwierigsten Fall“, der hier bisher betreut wurde, war nach sechs Monaten ein neues Zuhause gefunden. „Wir haben uns ein gutes Netz aufgebaut und in der ‚Szene‘ einen Namen gemacht“, sagt Fehr. Tiere, die zur Adoption freigegeben sind, werden oft auf Facebook vorgestellt.
„Unser Ziel ist es, die Tiere schnell in eine artgerechte Haltung zu vermitteln“, sagt die Leiterin der Auffangstation. Besonders weibliche Tiere, mit denen sich Nachwuchs produzieren lässt, sind so beliebt, dass schon Wartelisten geführt werden.
Männliche Tiere können das Glück haben, von Familien ohne Zuchtambitionen aufgenommen zu werden. Da die Tiere oft ohne Papiere beschlagnahmt werden, bleiben sie im Besitz des Amts und werden im Rahmen von Überlassungsverträgen an die neuen Halter weitergegeben. Die müssen bei Besuchen von Gronowski oder Fehr oder durch fotografische Dokumentation nachweisen, dass ihre Haltung artgerecht ist.
Im Karton ausgesetzt
Die Familie Fehr hält selbst Bartagamen und Geckos — und natürlich Landschildkröten. „Wir versuchen aber, die Tiere von der Station nicht auch noch selbst zu adoptieren“, sagt Fehr schmunzelnd. Viele der Tiere, die in der Auffangstation landen, sind im Karton irgendwo an der Straße ausgesetzt worden.
„Die meisten Halter gehen aber sehr verantwortungsbewusst damit um, wenn sie sich aus gesundheitlichen oder Zeitgründen selbst nicht mehr kümmern können, und geben die Tiere direkt bei uns ab“, räumt Fehr ein. Wenn sie dann ihre Quarantäne-Zeit, Wurmkuren und Routine-Untersuchungen überstanden haben, können sie auf ein neues, artgerechtes Zuhause hoffen. Auch die sechs Jahre alte Bartagamen-Dame Nessie, die jetzt zurück ins Terrarium darf, ist auf der Suche nach einem neuen Halter.