Heinsberg : Die Natur nie als Bedrohung empfunden
Heinsberg „Noch nie habe ich einen so lebendigen Abend bei einer Autorenlesung erlebt”, dankte Eleonore Gollenstede der Autorin Sabine Kuegler, derzeit mit „Dschungelkind” auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste und am Dienstag zu Gast in der Buchhandlung Gollenstede in Heinsberg.
Sabine Kuegler ließ ihr Buch zugeklappt. Sie erzählte und zeigte per Projektor Fotos aus dem Familienalbum, die die Lebendigkeit ihrer Worte noch unterstrichen.
Die Reise in die Kindheit der Autorin war für das Publikum zugleich eine faszinierende Reise in eine völlig andere Welt, in den Dschungel von Westpapua/Neuguinea.
Dass Sabine Kuegler 32 Jahre alt und Mutter von vier Kindern ist, hätte kaum jemand vermutet, wenn es aus ihrer Biografie nicht bekannt wäre und sie es nicht selbst erzählt hätte.
Zierlich und schlank, wirkt sie wie ein ganz junges Mädchen, das eine glückliche und ungewöhnliche Kindheit noch einmal erlebt und ihre Zuhörer daran Anteil haben lässt.
Vom fünften bis zum siebzehnten Lebensjahr war der Dschungel mit den „Fayu”, den Menschen, die bis dahin noch nie einen Weißen gesehen hatten, ihre Heimat.
Ihr Vater und ihre Mutter, Sprachforscher und Missionare, vermittelten den dort lebenden kriegerischen Stämmen, dass es andere Möglichkeiten als Rache und Krieg als unendliche Kette gab, Streitigkeiten auszutragen.
Für Sabine Kuegler wurde der Urwald zu einer Heimat, in der es viele Abenteuer zu erleben gab, in dem sie aber die Natur und die Menschen nie als Bedrohung empfand.
„Von Herzen gerne hätte ich hier meine Kinder aufwachsen lassen”, fasst sie am Ende ihre Empfindungen in Worte.
Den Kulturschock erlebte sie als 17-Jährige, als sie auf ein Schweizer Internat geschickt wurde, um eine Ausbildung zu erhalten. In Europa lernte ich zum ersten Mal „Angst” kennen. „Ich wusste nicht, was ein Handy war, kannte weder Michael Jackson noch Boris Becker.”
Das jedoch könne man alles lernen, nicht jedoch die andere Mentalität, musste sie erfahren. Während die Welt im Dschungel Weiß und Schwarz gewesen sei, erlebte sie in Europa die Welt als Gau in Grau.
„Bei den Fayu musste man angeben, wenn man etwas Neues hatte, hier wurde man dafür schief angeschaut”, schildert sie ihre Erfahrungen.
„Ich war am Ende und musste mich fragen, was ist aus dem glücklichen Kind geworden?”, fasst sie ihre dunkelste Zeit in Worte. „Je älter ich wurde, desto unglücklicher wurde ich.”
Ein Psychiater empfahl ihr, ihre Geschichte zu schreiben. Im vergangenen Sommer brachte sie in nur zweieinhalb Monaten ihre Geschichte zu Papier. „Ich habe gedacht, wen interessiert das schon?”, kann sie den Erfolg ihres Buches selbst noch gar nicht richtig fassen.