Erkelenz : Die Diebeskomödie entlarvt die Obrigkeit
Erkelenz Furios begann die neue Theatersaison der Stadt Erkelenz: Das Euro-Studio Landgraf gastierte mit Gerhart Hauptmanns „Biberpelz”, der seit seiner Uraufführung vor 110 Jahren nichts von seinem subversiven Witz und seiner sprachlichen Genialität eingebüßt hat.
Als der spätere Literaturnobelpreisträger Hauptmann ein Exemplar seiner „Diebeskomödie in vier Akten” der Theaterabteilung des Polizeipräsidenten zu Berlin einreichte, hieß es in der Begründung für die Genehmigung unter anderem: „Eine in sich abgeschlossene Handlung hat ,Der Biberpelz nicht, Das Stück besteht aus einer Reihe von Bildern, ... realistische Darstellung einer nur auf Diebereien bedachten Wäscherin und ihrer ebenfalls ganz verkommenen Angehörigen, daneben ein sich lächerlich überhebender Beamter. Kleinmalerei ohne alle Handlung von Belang, welche in solcher Ausdehnung nur langweilt... Daß das öde Machwerk mehrere Aufführungen erleben dürfte, steht kaum zu erwarten. Eine anstößige Stelle ist gestrichen.”
Diese anstößige Stelle war heuer wieder im dritten Akt zu hören: „Jesus sprach zu seine Jünger, wer keen Löffel hat, ißt mit de Finger.” Mit diesem Urteil hat sich die Zensurbehörde nicht nur selbst disqualifiziert, sie hat auch die Borniertheit der damals herrschenden Klasse entlarvt, die zum Beispiel mit ihren „Sozialistengesetzen” rücksichtslos die so genannten „revolutionären Elemente” unterdrückte.
Dass im „Biberpelz” ausgerechnet der aufgeblasene Amtsvorsteher, der sich nicht mit solchen Lappalien wie Diebstahl von Holz oder eines Biberpelzes abgibt, sondern „die höchsten Güter der Nation” unter dem Bild des Kaisers im Auge hat, der Diebin und Verkäuferin eines gewilderten Rehbocks, Mutter Wolffen am Ende bescheinigt, sie sei „eine ehrliche Haut”, dies unterstreicht den Unverstand einer gedankenlos-verbohrten Obrigkeit.
Die Aufführung in Erkelenz mit der überragenden Doris Kunstmann als resolute und pfiffige Mutter Wolffen hielt gut zwei Stunden das hohe Niveau von geistvoller Spannung und treffsicherer Charakterisierung von Personen und Typen „irgendwo um Berlin in den achtziger Jahren”.
Alle Rollen waren gleichermaßen hervorragend besetzt: Marten Sand war als Amtsvorsteher ein preußischer Landjunker mit Monokel, wie er sich lächerlicher kaum präsentieren konnte. Eckhardt Bogda spielte hinreißend den ewig aufgeregten und aufmüpfigen Rentier Krüger. Dem Demokratie-verdächtigen und 20 Zeitungen lesenden Doktor Fleischer gab Joachim Lamont plastische Gestalt.
Thomas Linz war der schleimige Denunziant Motes, Joachim Szaunig der dusselige Julian Wolff, Frank Zielske der zwielichtige Schiffer Wulkow, Thomas Müller-Brandes der devote Amtsschreiber und Dieter Stolz der dämliche Polizist Mitteldorf.
Kristina Sahlin und Ines Lammers setzten als kesse Wolff-Töchter Leontine und Adelheid insbesondere bei den zwischen den Akten eingestreuten Gedichten und Liedern umwerfend komische Akzente.
Fazit: ein durch und durch gelungener Theaterabend.