Kreis Düren : Das Parlament als Kleinkunstbühne
Kreis Düren Dass das parlamentarische Tagesgeschäft, das in weiten Teilen der Bevölkerung eher den Ruf einer vom Unterhaltungswert sehr überschaubaren und ernsthaften Tätigkeit genießt, auch künstlerisch wertvolle Züge tragen kann, offenbarte sich der geneigten Öffentlichkeit bei der Kreistagssitzung am Donnerstagabend.
Die Grünen beispielsweise reicherten die Tagesordnung um eine düstere Visualisierung ihrer Visionen zur Post-Krisenzeit an, während die FPD bei der Haushaltsrede mit erfrischendem Mut neue Wege beschritt und - salopp formuliert - das wohlfeile Redekonzept über Bord warf und offensichtlich auf Improvisationstalent setzte. Dazu später mehr.
Zunächst zum Beginn der Sitzung, in deren Verlauf auch der Doppelhaushalt 2010/11 mit den Stimmen von CDU und FDP verabschiedet wurde.
Der Pleitegeier kreist
Bereits im Flur vor dem Plenarsaal hatte die Fraktion der Grünen vor dem ersten Redebeitrag eine aus ihrer Sicht vielsagende Zukunftsvision installiert. Der Pleitegeier, federleicht gegeben von der Abgeordneten Verena Schloemer, kreiste über Kreuzen: Büchereien, Sportstätten, Jugendzentren und Schulen wurden dort symbolisch zu Grabe getragen. Eine Interpretationshilfe zur Installation gaben die Politiker ihren Kollegen gleich an die Hand: „Die grüne Kreistagsfraktion fordert von der künftigen Landesregierung, den Raubzug und die soziale Spaltung der Städte und Gemeinden zu stoppen - eine verlässliche und verbesserte Grundfinanzierung muss her!”
Danach stand ausführlich Zeit für Haushaltsreden auf dem Programm. Karl Schavier, Fraktionsvorsitzender der CDU, erklärte den Anwesenden, dass seine Fraktion die Politik „an den Bedürfnissen der Menschen” ausrichte. Er gab eine Art Leistungsbericht der vergangenen Legislaturperioden mit dem Ausblick, „dass der Kreis Düren auch in Zukunft lebendig und lebenswert gestaltet wird”.
Erwartungsgemäß unterschiedlich schätzte der SPD-Fraktionsvorsitzende Jens Bröker die Lage an der Rur ein. Er erneuerte seine Kritik an CDU und Landrat, warf beiden fehlende Fantasie und fehlende Managementqualitäten vor. Die Entscheidung, in Zeiten schwer zu kalkulierender Rahmenbedingungen einen Doppelhaushalt aufzustellen, nannte er einen „finanzpolitischen Blindflug”. Die SPD stimmte gegen den Haushalt und stieg aus dem Flieger aus.
Grünes Licht versagten auch die Grünen. Fraktionschefin Gudrun Zentis warf unter anderem der kreiseigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaft Versagen vor. Der Doppelhaushalt lasse zudem nicht erkennen, welche Zukunftsziele der Kreis habe. „Nein” zum Doppelhaushalt sagten auch UWG und „Die Linke”.
Während quer durch alle Fraktionen einige Abgeordnete - auch bei der Rede des eigenen Vorsitzenden - die Vorteile internetfähiger Mobiltelefone nutzten, war es ein Redner, der wohl alle Anwesenden im Saal fesselte: Rudi Frischmuth, der Fraktionsvorsitzende der FDP.
„Wir stimmen dem Doppelhaushalt zu, weil wir ihn mit der CDU verbrochen haben”, eröffnete der Politiker augenzwinkernd seinen Beitrag und setzte zu einer Rede aus dem Stegreif an, die das Plenum für wenige Minuten zu einem Tollhaus werden ließ. In einem Parforceritt verband er Punkte, die womöglich nicht zusammengehören - etwa Hähnchenmast und Familienhilfen -, und schaffte es, mit seinem improvisierten rhetorischen Anti-Politikverdrossenheitsbeitrag innerhalb kürzester Zeit fraktionsübergreifend Reaktionen hervorzurufen, die sonst ein Kabarettist auf der Kleinkunstbühne auslöst. Inhalte der Rede gingen in der Geräuschkulisse zum großen Teil unter. Als ein um Fassung ringender Landrat für kurze Zeit den von Lachsalven erschütternten Saal verlassen musste, kommentierte Frischmuth: „Einen haben wir schon in die Flucht geschlagen!” Nach zwei weiteren Minuten hatte die Welle der guten Laune auch die Dezernentenbank erreicht. „Diese Rede sollte auch einmal im Bundestag gehalten werden”, kommentierte Wolfgang Spelthahn abschließend; ein Dezernent des Kreises bot Frischmuth an, auf den Sitzungen einer Kreuzauer Karnevalsgesellschaft in die Bütt zu steigen. Dem Vernehmen nach war eine solche Reaktion auf eine Haushaltsrede bislang einmalig.
Der Doppelhaushalt des Kreises Düren übrigens sieht für das laufende Jahr Erträge von 380 Millionen Euro und Ausgaben in Höhe von 387,5 Millionen Euro vor. Im Jahr 2011 stehen 393 Millionen Ausgaben 377,7 Millionen Euro Einnahmen gegenüber.