Städteregion: Das Jobcenter leidet unter Personalnot

Städteregion : Das Jobcenter leidet unter Personalnot

Optimal war die personelle Besetzung des Jobcenters in der Städteregion noch nie. Geschäftsführer Stefan Graaf hat in den vergangenen zehn Jahren öfter darauf hingewiesen, dass er mit viel zu wenig Beschäftigten viel zu viele arbeitslose Menschen und ihre Familien betreuen muss.

Zudem ändert sich die ohnehin komplizierte Rechtslage ständig. Doch so schwierig wie derzeit war die Personalsituation infolge der aktuellen Entwicklungen schon lange nicht mehr: 44 Stellen müssten sofort zusätzlich geschaffen werden, um der seit Jahresbeginn gestiegenen Zahl von Hartz-IV-Leistungsberechtigten gerecht werden zu können.

Dabei geht es nur darum, den gesetzlich festgelegten Betreuungsschlüssel zu erfüllen. Und schon jetzt ist laut Graaf absehbar, dass die Zahl der Leistungsberechtigten — und damit auch der Personalbedarf — in den kommenden Monaten weiter steigen wird. Die Träger des Jobcenters — die Städteregion und die Bundesagentur für Arbeit — werden sich heute mit diesem Thema intensiv beschäftigen.

Auf der Tagesordnung steht der Stellenplan für das Jahr 2016. Normalerweise legt Graaf bei der Berechnung der Plandaten die Jahresdurchschnittwerte zugrunde. Doch dies ist seiner Ansicht nach derzeit nicht möglich. Grund: die im März in Kraft getretene Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und die Entwicklung im Flüchtlingsbereich.

„Abgelehnte Asylbewerber, die aus humanitären Gründen eine Duldung erhalten, fallen nach 18 Monaten aus der Zuständigkeit der Asylbewerberleistungen heraus und wir werden für sie zuständig“, erklärt Graaf. „Außerdem haben wir jetzt die ersten Flüchtlinge in der Betreuung, die sogenannten Kontingentflüchtlinge aus Syrien, die vom ersten Tag an Anspruch auf Grundsicherung haben.“ Innerhalb eines Jahres — von April 2014 bis April 2015 — sei die Zahl der ausländischen Leistungsbezieher, die vom Jobcenter betreut werden, um 1377 gestiegen.

Graaf ist überzeugt davon, dass „die große Welle“ erst 2016 kommen wird. „Beim Bundesamt für Migration liegen ja zurzeit etwa 250.000 Asylanträge, die jetzt mit zusätzlichem Personal schnell bearbeitet werden sollen. Tendenz steigend. Viele Antragsteller kommen aus Syrien, dem Irak oder aus Eritrea und haben gute Chancen, anerkannt zu werden.“

Und anerkannte Asylbewerber können teilweise ihren Wohnsitz frei wählen, sagt Graaf. „Seit etwa sechs Wochen erleben wir, dass einige anerkannte Asylbewerber aus anderen Teilen Deutschlands in die Städteregion ziehen. Das hat individuelle Gründe.“ Und noch eines gibt Graaf zu bedenken: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Flüchtlinge, die derzeit alleine nach Deutschland kommen, nach ihrer Anerkennung ihre Familien nachholen.“

All das zusammen führt ihn zu der Feststellung: „Der Personalbedarf für das nächste Jahr ist aktuell nicht seriös zu ermitteln.“ Derzeit teilen sich 679 Frauen und Männer die 633 Planstellen und betreuen insgesamt 54.798 Menschen.

Dankbar ist Graaf der Städteregion und auch der Bundesagentur, dass sie stets großes Verständnis für die Nöte des Jobcenters haben und die dringenden Personalbedarfe meist bewilligen. Insbesondere die Städteregion bemühe sich, Beschäftigte, die zunächst eine befristete Stelle erhielten, unbefristet weiter zu beschäftigen.

Denn das sei nötig, um Know-how zu halten, betont Graaf. Was ohnehin schwer genug sei. Denn die Personalfluktuation sei hoch, liege im Schnitt bei zehn Prozent jährlich, was unter anderem dem hohen Anteil — acht bis neun Prozent - befristeter Stellen geschuldet sei. Zudem werden bis zum Jahresende weitere 14 kommunale Beschäftigte die Option nutzen, wieder in ihre frühere Dienststelle in einer der zehn Kommunen zurückzukehren.

Doch es ist gar nicht einfach, auf dem freien Markt Menschen zu finden, die die anspruchsvollen Aufgaben im Jobcenter übernehmen können, sagt Graaf. Die Bundesagentur und die Städteregion bilden für den Bedarf des Jobcenters zwar auch Nachwuchskräfte aus. „Da sind wir gut unterwegs“, sagt Graaf. „Aber jetzt überrollen uns die Ereignisse, das konnte niemand voraussehen.“

Es fehlt schlicht an ausgebildeten Verwaltungskräften. „Düren hat ähnliche Probleme wie wir“, sagt Graaf. Fachfremde einzuarbeiten, wie in den zehn Jahren im Jobcenter immer wieder geschehen, braucht jedoch Zeit, bindet zudem Arbeitszeit der Beschäftigten. Deshalb stellt sich das Jobcenter mit dem Aufbau eines eigenen Übungsbüro auf die Situation ein.

Wenn es gelänge, den akuten Personalbedarf schnell zu decken, gibt es ein weiteres Problem: Die neuen Beschäftigten brauchen einen Arbeitsplatz. „44 zusätzliche Mitarbeiter in den Geschäftsstellen vor Ort unterzubringen, ist eine Herausforderung“, sagt Graaf. „Wir rücken ja alle zusammen, aber bei Bürogrößen von zwölf Quadratmetern wie in Aachen ist das nicht so einfach.“ Zudem gibt es Anforderungen des Arbeitsschutzes und an die Sicherheit. „Aber wir werden das schaffen. Planvoll müssen wir Schritt für Schritt angehen.“

Es gibt also wieder einmal viel zu tun für den Jobcenter-Geschäftsführer. Die Herausforderungen werden nicht kleiner. Im Gegenteil. Die Trägerversammlung muss heute erste Weichen stellen.