Erkelenz : Bischof Dr. Helmut Dieser: Mit offenem Ohr nah an den Menschen
Erkelenz Die festlich geschmückte Pfarrkirche St. Lambertus füllte sich schon eine ganze Weile vor dem Pontifikalamt. „Ich wollte früh hier sein, um einen Platz zu ergattern“, erklärte eine Besucherin und bedauerte, dass die Kirche zwar voll wurde, aber „nicht aus allen Nähten“ platzte. Immerhin sei der Bischof von Aachen zum ersten Mal in der Heinsberger Region zu Gast.
Seit November vergangenen Jahres ist Dr. Helmut Dieser Bischof des Bistums Aachen. Er besuchte die Region Heinsberg, um sich über den Tagebau und seine Folgen zu informieren und mit Betroffenen ins Gespräch kommen. Erste Station seines Besuches war Erkelenz, dort begann er den Tag mit einem Pontifikalamt.
Bei strahlendem Sonnenschein zog der Diözesanbischof vom Kolpinghaus zur Pfarrkirche. Begleitet wurde er von Priestern aus Gemeinden der Region, die mit ihm die Messe konzelebrierten. Der Leiter der Pfarrei Christkönig Erkelenz, Pastor Werner Rombach, richtete herzliche Begrüßungsworte an den Bischof. Umsiedlungen und das Leben am Tagebaurand seien ein zentrales Thema in der gesamten Region. Er freue sich, dass der Bischof sich ein Bild von der Situation der Menschen vor Ort machen wolle.
„Ich bin heute durch ein Stück Heimat gefahren — ihre Heimat“, begrüßte der Bischof die Menschen in der Kirche. Als wolle er auch optisch das Zeichen setzen, ganz nah bei den Menschen zu sein, hatte er dazu den Altarraum verlassen und war ins Kirchenschiff getreten. Was mit einem fröhlichen Krähen aus dem Kinderwagen quittiert wurde, die fünf Monate alte Joana war die jüngste Teilnehmerin an dem festlichen Ereignis.
Den Spatz in der Hand und die Taube auf dem Dach machte Bischof Dieser zum Mittelpunkt seiner Predigt: Der Spatz als Synonym für eigene Wünsche und Interessen, die Taube als Sinnbild für die Anliegen der Gemeinschaft. Er fragte sich, „ob wir uns trauen, die eigenen Interessen dem gemeinsamen Haus unterzuordnen, dem Haus der Schöpfung, das nicht uns gehört, sondern Gott“. Denn „alles betrifft uns alle“, mahnte er, „wir dürfen die Probleme nicht nur denen überlassen, die betroffen sind“.
Musikalisch wurde das Pontifikalamt vom Kinderchor DoReMi, dem Jungen Chor DaCapo und dem Vokalensemble Bella Voce begleitet, die mit modernen Liedern begeisterten. „Die Region Heinsberg freut sich, einen Bischof zu haben, der sie besuchen kommt“, richtete Achim Hoeps vom Büro der Regionaldekane Mönchengladbach (einen Regionaldekan gibt es in der Region Heinsberg zurzeit nicht) zum Abschluss der Messe das Wort an den Bischof. Das treffe sich gut, meinte Bischof Dieser lachend, „ich gehe nämlich gern auf Besuch“.
Offene Begegnung
Ein langer Zug machte sich auf den Weg ins Gemeindezentrum, viele Kirchenbesucher nutzten die Gelegenheit zur offenen Begegnung mit dem Bischof. Hier konnte jeder, der wollte, mit dem Bischof ins Gespräch kommen. Dafür blieb eine gute Stunde Zeit, ehe sich der Bischof auf den Weg nach Borschemich (neu) machte, um Umsiedler zu treffen.
Im neuen Ort vor den Toren der Stadt traf er im Gemeinderaum zum Gespräch mit Umsiedlern zusammen. Die Kapelle in Borschemich (neu) mit dem angeschlossenen Gemeinderaum ist das, was den Umsiedlern von ihrer einstmals so stolzen Kirche geblieben ist. Und darum habe man mit RWE Power ringen müssen, wie Pastor Werner Rombach dem hohen Besuch aus Aachen eindrucksvoll zu schildern wusste.
Denn bei dem Energieunternehmen seien psychologische Tricks Teil der Verhandlungen. Die würden auf einmal zum Beispiel grundlos ausgesetzt. „Dann hört und sieht man nichts mehr von denen“, berichtete Rombach von den Erfahrungen, die viele Umsiedler machen mussten. „Das Tempo gibt RWE an, um die Umsiedler mürbe zu machen“, betonte Rombach.
Nach zähen und rund vierjährigen Verhandlungen hatten die Borschemicher dann rund drei Millionen Euro bekommen, um ein Gotteshaus am neuen Standort zu bauen. Dieses Verhalten des Unternehmens führe auch dazu, dass so viele Umsiedler abspringen und fortziehen, betonte Brudermeister Heinz-Willi Schulte.
Ratsherr und Küster Rainer Merkens wies darauf hin, dass auch für die zukünftigen Tagebau-Anrainer alles anders werde. Gewachsene nachbarschaftliche Strukturen würden zerstört und das Zusammenleben in den Ortschaften auf eine Zerreißprobe gestellt.
Bischof Dieser versprach, sich für die Belange der Umsiedler und vor allem ein Umdenken in der Energiepolitik einzusetzen. „Diese Aufgabe macht mir Angst“, räumte er angesichts ihrer Dimension freimütig ein. „Ich kann den Hebel leider nicht selbst umlegen.“ Er sehe keinen breiten politischen Willen zur Energiewende, „und doch werden wir sie noch erleben“. Es sei noch nicht zu spät, um die Kräfte zu bündeln und eine breite öffentliche Diskussion herbeizuführen.
Ignoranz entgegentreten
Diese mahnte auch Brudermeister Heinz-Willi Schulte an. Im Namen der Umsiedler gab er dem Bischof mit auf den Weg, gegen die Ignoranz der Menschen zu wirken und einen verantwortlichen Umgang mit Energie anzumahnen. Bei diesem Thema könne es „kein sowohl als auch“ geben.
Bischof Dieser selbst erinnerte daran, dass er kein „Scharfmacher“ sein könne und wolle, der polarisiert. Vielmehr sei es wichtig, die Menschen zu überzeugen.