Kreis Düren: Bezirksregierung greift ein: „Kitabeitragsfreiheit wäre rechtswidrig“

Kreis Düren : Bezirksregierung greift ein: „Kitabeitragsfreiheit wäre rechtswidrig“

Hätte der Kreis Düren beschlossen, keine Gebühren für den Kitabesuch zu kassieren, wäre das aus mehreren Perspektiven ein Präzedenzfall gewesen. Landrat Wolfgang Spelthahn sah seinen Kreis schon als Vorreiter in Sachen Familienfreundlichkeit.

Die Bezirksregierung warnte hingegen davor, zum Negativbeispiel zu werden, was die mangelnde Rücksichtnahme auf die kreisangehörigen Kommunen angeht. Udo Kotzea, Abteilungsleiter Kommunalaufsicht bei der Bezirksregierung Köln, erklärt im Gespräch mit Redakteurin Anne Welkener, warum die Kommunalaufsicht intervenierte und warum es nun ausreicht, nur die Topverdiener unter den Eltern zu Kasse zu bitten.

Herr Kotzea, wie beurteilen Sie den Kompromiss, der für den Kreis Düren gefunden wurde, nur noch ab einem Brutto-Partnereinkommen ab 120000 Euro Gebühren zu nehmen?

Kotzea: Das ist eine freie Entscheidung des Kreistages. Ob das aus unserer Sicht richtig ist oder nicht, möchte ich nicht kommentieren. Selbstverständlich hat niemand etwas gegen eine generelle Beitragsfreiheit, aber das Geld für den Betrieb einer Kita kann nicht gedruckt werden, es muss erwirtschaftet werden. Und das funktioniert bei Kreisen anders als bei Kommunen.

Deshalb kann die Stadt Düren eine Beitragsfreiheit beschließen, des Kreis Düren aber nicht?

Kotzea: Ja, die Stadt Düren hat ein eigenes Jugendamt und kann deshalb die Kitabeiträge streichen, solange der eigene Haushalt der Stadt das hergibt. Der Kreis speist sich aber aus Einnahmen der Kommunen. Jede Subvention — zum Beispiel für Kitabesuche — wird also indirekt von den Kommunen finanziert. Der Gesetzgeber hat daher in der Kreisordnung verfügt, dass der Kreis Rücksicht auf kreisangehörige Kommunen nehmen muss.

Wie muss diese Rücksicht aussehen?

Kotzea: Der Kreis muss berücksichtigen, wenn es Kommunen finanziell nicht gut geht. Im Kreis Düren gibt es immerhin drei Stärkungspaktkommunen und voraussichtlich acht Kommunen mit einem Haushaltssicherungskonzept. Denen geht es also finanziell tatsächlich nicht so gut. Wegen dieses sogenannten Rücksichtnahmegebots muss der Kreis zwingend eine gebührenfinanzierte Lösung finden. Die Kreisordnung sieht dabei keine Ausnahmen vor. Deshalb wäre eine Lösung rechtswidrig, die überhaupt nicht gebührenfinanziert ist. Der Kreis Düren hätte mit der Beitragsfreiheit einen Präzedenzfall geschaffen, was für das ganze Land ein denkbar schlechtes Beispiel gewesen wäre.

Hat die Bezirksregierung deswegen interveniert?

Kotzea: Wir haben gesagt: Eine komplette Beitragsfreiheit geht nicht. Es muss eine sozial adäquate Abwägung stattfinden und eine Lösung gefunden werden, wie bei geringeren Gebühren der Rest finanziert wird. Wir haben nicht interveniert, weil wir etwas gegen Gebührenfreiheit hätten — im Gegenteil. Wir befürworten einen finanziell barrierefreien Zugang zu Kindertagesstätten, aber der ist gekoppelt an die Finanzierbarkeit.

Also werden Sie nicht gegen den gefundenen Kompromiss vorgehen?

Kotzea: Nein. Der Kreis hat uns signalisiert, dass durch die gefundene Lösung in den nächsten Jahren keine Schwierigkeiten für die Kommunen auftreten. Daher sind wir nicht gehalten, zu intervenieren. Die Lösung akzeptieren wir.

Nun hat der Kreis Düren einen Kompromiss gefunden, bei dem nur Topverdiener zur Kasse gebeten werden. Wenn aber nur fünf bis zehn Prozent der Eltern Beiträge zahlen, wird der Kreis damit keine immensen Einnahmen kassieren und den Großteil trotzdem querfinanzieren müssen. Wieso hat der Kreis also mit dieser Regelung mehr Rücksicht auf die Kommunen genommen?

Kotzea: Der Kreis Düren hat eine sehr großzügige Regelung gefunden. Sobald er sich im Rahmen der Gebührenfinanzierung bewegt, hat der Kreis weitgehende Freiheiten, in die wir aus Respekt vor der Selbstverwaltungsgarantie kommunaler Körperschaften nur im Notfall eingreifen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind so, dass es irgendwie gebührenfinanziert sein muss — und dabei natürlich realitätsnah. Der Kreis hätte zum Beispiel nicht sagen können: „Wir nehmen erst Gebühren ab einem Einkommen von zwei Millionen Euro.“

Ist eine kreisweite Kitabeitragsfreiheit unmöglich oder was müsste geschehen, um dies zu realisieren?

Kotzea: Mit dem bisherigen Landesgesetz wird es keinen Kreis geben, der kitabeitragsfrei sein wird. Dazu müssten Gesetze geändert werden, aber darüber denkt im Moment niemand nach.

Landrat Wolfgang Spelthahn hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er davon überzeugt ist, eine Beitragsfreiheit wäre dem Kreis juristisch nicht zu nehmen. Ich vermute, diese Einschätzung teilen Sie nicht.

Kotzea: Die Kreisordnung hat gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen und der Kreis hat sich an diese zu halten. Es ist gut, dass alle Parteien ein Agreement getroffen haben, mit dem eine weitestgehende Beitragsfreiheit geschaffen wurde. Es ist ja vernünftig, sich nicht um die letzten zehn Zentimeter zu streiten, sondern zeitnah einen Kompromiss zu finden, um Klarheit auch für die Betroffenen zu schaffen.

Neben einigen anderen hat auch Bruno Voß, der Fraktionschef der Grünen im Kreistag, sich durch die Intervention der Bezirksregierung als Kommunalpolitiker sehr in seiner Entscheidungsfreiheit beschnitten gefühlt. Er betonte, dass im landesweiten Kinderbildungsgesetz eindeutig formuliert sei, es „können“ Kitabeiträge erhoben werden. Gibt es hier einen Konflikt zwischen der Kreisordnung und dem Kibiz?

Kotzea: In der Kreisordnung geht es nicht um die Finanzierung von Kitas, sondern allgemein darum, wie Finanzierungen zu gestalten sind. Die Regelungen des Kinderbildungsgesetzes müssen aus Sicht des Kreises mit der Kreisordnung verschmolzen werden. Wenn das Kibiz vorschreiben würde, dass gar keine Gebühren erhoben werden dürfen, dann wäre es ein Gegensatz. Aber da steht nur „können“, also kann man es in Übereinstimmung bringen, das ist kein Widerspruch. Beide Regelungen lassen sich zu einer Lösung vereinbaren, das ist für uns kein Problemfall. Es gibt immer mal die Notwendigkeit, Bundes- und Landesgesetze vor Ort zu einer Lösung zu harmonisieren. Ich kann verstehen, dass sich manche in ihrer Entscheidungsfreiheit beschnitten fühlen, wenn wir an gesetzliche Rahmenbedingungen erinnern. Aber beschränkt wird man nicht durch das Erinnern der Kommunalaufsicht, sondern durch den gesetzlichen Rahmen.

Was wäre geschehen, wenn der Kreis trotzdem eine Beitragsfreiheit beschlossen hätte?

Kotzea: Wenn der Kreistagsbeschluss rechtswidrig wäre, würden wir den Landrat anweisen, den Beschluss aufzuheben. Der Kreistag hat dann das Recht, dem zu widersprechen. Dem würde eine Kaskade von Rechtsmitteln folgen, und es würde letztendlich vor Gericht landen.