Städteregion: Bevölkerungsumfrage: Rückenwind für Energiewende in der Städteregion

Städteregion : Bevölkerungsumfrage: Rückenwind für Energiewende in der Städteregion

Von diesem Ergebnis geht eine klare Botschaft aus: Die Energiewende in der Städteregion erhält immer mehr Zustimmung. Sprachen sich bei einer ersten Umfrage im Sommer 2015 noch 69,6 Prozent für eine grundlegende Veränderung bei der Energiegewinnung aus, so waren es zwei Jahre später 80,3 Prozent. „Das Resultat ist durchaus beeindruckend“, sagt Jens Schneider. Und es ist mit 1002 Befragten auch repräsentativ.

Allerdings weiß der Leiter des Projektes „Regionaler Dialog Energiewende Aachen“ (Render), dass zwischen Wunsch und Wirklichkeit Welten liegen können. Denn von dem angestrebten Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2030 auf 75 Prozent zu erhöhen, ist die Städteregion noch weit entfernt. 2016 lag sie gerade mal bei 15 Prozent. Doch wie heißt es so schön: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

Sieht ein klares Votum für den Ausbau der erneuerbaren Energien: Joachim Liesenfeld
Sieht ein klares Votum für den Ausbau der erneuerbaren Energien: Joachim Liesenfeld Foto: Michael Grobusch

Und das Sprichwort will Schneider hochhalten, trotz der Ankündigungen der neuen Landesregierung, die Auflagen für den Bau von Windrädern deutlich zu verschärfen. „Im Winderlass sind die 1500 Meter Mindestabstand zu reinen Wohngebieten nicht zu finden“, betont der Projektleiter. „Ich gehe davon aus, dass es auch in Zukunft Möglichkeiten geben wird, Windräder zu errichten.“

Auch in der Städteregion. Das wäre dann im Sinne einer deutlichen Mehrheit der Befragten. „Fast 80 Prozent halten den Ausbau dieser Technik für wichtig“, berichtet Joachim Liesenfeld vom Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung in Duisburg (RISP). Wie schon 2015 war er federführend bei der Bevölkerungsbefragung und hat diese für die zweite Auflage weiterentwickelt. So wurden beispielsweise nicht nur Zielvorstellungen thematisiert, sondern auch mögliche Konflikte.

„Dabei hat sich gezeigt, dass die breite Zustimmung von einer großen Skepsis begleitet wird.“ Das gelte vor allem für die Windenergie. So gaben knapp drei Viertel der Befragten an, dass dem Artenschutz Vorrang vor der Windenergie gegeben werden sollte. Ein ähnliches Bild ergab sich mit Blick auf die mögliche Beeinträchtigung von Erholungsgebieten.

Lediglich gegenüber dem Landschaftsbild wurde den Windrädern ein leichter Vorrang (51,54 Prozent) eingeräumt. „Wobei man die Zahlen sicherlich bei allen drei Aspekten noch näher differenziert betrachten muss“, gibt Jens Schneider zu bedenken. Schließlich seien Artenschutz, Landschaftsschutz und Erholungsgebiete drei recht abstrakte Begriffe.

Hohe Zustimmung findet derweil auch die Schaffung weiterer Photovoltaik-Anlagen. Knapp 86 Prozent fordern den intensiven Ausbau auf Frei- und industriellen Brachflächen, 80,6 Prozent der Befragten plädieren zudem dafür, dass verstärkte Investitionsanreize für private Anlagen gesetzt werden. Konflikte werden aber auch hier mehrheitlich prognostiziert (56,7 Prozent), wenn es um den Ausbau auf Freiflächen, etwa entlang von Hauptverkehrswegen, geht.

Dass es viele Befragten durchaus ernst meinen mit der Energiewende, zeigen die Forderungen nach zusätzlichen Formen der Mitwirkung bei den Planungen — etwa in Form von Bürgergutachten — und nach Möglichkeiten für eine finanzielle Beteiligung bei der Umsetzung von Projekten.

„Insgesamt weist die Bevölkerungsbefragung ein klares Votum der Bürger für den Ausbau der erneuerbaren Energien aus“, fasst Joachim Liesenfeld zusammen. Das mag dem allgemeinen Zeitgeist in Deutschland geschuldet sein, aber wohl auch den energiepolitischen Diskussionen, die im vergangenen Frühjahr, also unmittelbar vor der Befragung, in der Aachener Region gerade besonders intensiv geführt worden waren.

Niedergeschlagen hat sich das, so vermutet der Wissenschaftler, auch auf die „Popularität“ der diskutierten Energiegewinnungsformen. So lehnen 84,7 Prozent der Befragten die Kernenergie ab, und nur ein knappes Viertel setzt auf den Ausbau fossiler Energieträger.

Für Jens Schneider und das Team vom Forschungsinstitut für Wasser- und Abfallwirtschaft an der RWTH Aachen (FIW) beginnt nun allmählich der Endspurt. Im nächsten September endet nach vier Jahren das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt. Bereits im Frühjahr 2018 soll der „Energieplan 2030“ als greifbares Ergebnis vorgestellt und der Politik übergeben werden.

Dass dessen Umsetzung anschließend vom Städteregionstag beschlossen wird, hält Jens Schneider für „sehr ambitioniert“. Zufrieden wäre er wohl auch schon, wenn der Plan „wohlwollend“ zur Kenntnis genommen würde. Unabhängig davon ist der Projektleiter aber überzeugt: „An der Energiewende wird kein Weg vorbeiführen.“