Kreis Heinsberg : Atom und Jod: „Vorsorge oder Verdummung?“
Kreis Heinsberg „Vorsorge oder Verdummung?“ Unter diesem Titel hat der Mitweltausschuss des Evangelischen Kirchenkreises Jülich (zu dem auch die Gemeinden im Kreis Heinsberg gehören) eine Erklärung zu den umstrittenen belgischen Atomkraftwerken Doel und Tihange sowie zur geplanten vorsorglichen Verteilung von Jodtabletten veröffentlicht.
„Sicher waren Sie schon so aufmerksam und haben sich mit Jodtabletten eingedeckt“, heißt es einleitend. „Jodtabletten, die Sie bei einem Störfall in den belgischen (Schrott-)Kernkraftwerken Doel und Tihange einnehmen sollten, um möglichst kein radioaktives Jod in Ihren Körper gelangen zu lassen — Jod, das in der Schilddrüse angereichert und gespeichert wird. Und Sie sind sicherlich auch darüber informiert worden, dass die Einnahme der Jodtabletten erfolgen muss, bevor die radioaktive Wolke Sie erreicht. Auch über die Risiken hinsichtlich Ihres Alters bei der Einnahme der Tabletten sind Sie aufgeklärt worden.“
Dabei sei das radioaktive Jod 131 mit einer Halbwertszeit von acht Tagen nur eines der vielen radioaktiven Isotope, die bei einem ernsthaften Störfall freigesetzt würden, heißt es weiter. „Wenn das alles nicht auf Sie zutrifft, gehören Sie vielleicht zu den Menschen, die sich ernsthaft Sorgen über die Auswirkungen eines atomaren Störfalles machen, die sich nicht gern Sand in Augen streuen lassen und die Maßnahmen wie die Verteilung von Jodtabletten für eine lächerliche und unangemessene ,Vorsorge‘-Aktion halten.“ Die Aktion erinnert den Ausschuss stark an den Rat aus den 60er Jahren, sich im Falle einer Kernwaffenexplosion mit einer Aktentasche über dem Kopf auf den Erdboden zu werfen.
Der Mitweltausschuss stellt die Frage: „Gehen die verantwortlichen Stellen wirklich davon aus, dass wir die verheerenden Folgen und Opfer der Unglücke von Tschernobyl und Fukushima schon vergessen oder verdrängt haben?“ Es sei nicht bekannt, „dass die Folgen der radioaktiven Verseuchung in diesen Fällen durch Jodtabletten gemindert werden konnten“.
Anstelle der die Situation verniedlichenden Verteilung von Jodtabletten wäre nach Ansicht des Mitweltausschusses die Veröffentlichung eines Katastrophen- beziehungsweise Evakuierungsplans dringend notwendig, um der Bevölkerung die Auswirkungen von einem nuklearen GAU, dem größten anzunehmenden Unfall, vor Augen zu führen.
„Welche Teile der Bevölkerung müssten in welchem Radius um das verunglückte Kernkraftwerk in welcher Zeit wohin evakuiert werden? Und welche Stellen sollen eine solche logistische Meisterleistung planen und durchführen?“ Sich dies einmal zu gegenwärtigen, sollte den Druck auf die Forderung nach Abschaltung der beiden maroden Kernkraftwerke erhöhen, meint der Mitweltausschuss und fragt: „Könnte es sein, dass Doel und Tihange immer noch am Netz sind, weil laut unserem herrschenden Wirtschaftssystem nun mal der Profit Vorrang vor den berechtigten Bedürfnissen der Menschen hat?“