Wassenberg/Geilenkirchen: 28 Monate Haft für unbelehrbaren Fahrer

Wassenberg/Geilenkirchen : 28 Monate Haft für unbelehrbaren Fahrer

Man darf sagen, dass Dennis H. sich einen gewissen Ruf erarbeitet hatte. Es gab in der Gegend, in der er wohnt, Polizisten, die beim Anblick eines silbernen Fünfer-BMW gleich darauf achteten, ob nicht der junge Mann am Steuer sitzt, den sie schon so oft wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis ertappt hatten, immer aufs Neue.

So war es auch am 1. Oktober 2016. Dennis H. war dieses Mal auf dem Kantinenberg in Hückelhoven unterwegs, als er der Polizei begegnete. Die gab das Zeichen zum Anhalten. Dennis H. trat aufs Gas.

Anderthalb Jahre später sitzt Dennis H. vor dem Geilenkirchener Schöffengericht auf der Anklagebank. Immer wieder wischt er sich mit einem Tuch übers Gesicht. Der Tag ist schwül, und für den Wassenberger steht eine Menge auf dem Spiel. Er hat in seinem Leben schon sehr viel, sehr großen Blödsinn gemacht, und der war nicht immer harmlos, sondern mitunter lebensgefährlich.

Doch nun soll alles anders werden, so hat H. es Richterin Corinna Waßmuth und den Schöffen erklärt. Er habe auch schon ein Gespräch mit einer Therapeutin geführt. Ihr Name? Fällt ihm gerade nicht ein. H. sagt jedenfalls, dass er sich um das Kind kümmern will, das er mit seiner Verlobten hat. Es soll anders laufen als bei den beiden anderen Kindern aus einer früheren Beziehung, zu denen kein Kontakt besteht. „Warum hat es so lange gedauert, bis Sie angefangen haben zu denken?“, fragt die Richterin.

Zwei Unfälle mit Fahrerflucht

Als H. im Oktober 2016 mit seinem BMW vor der Polizei abhaute, dachte er nicht nach, er war aufgeputscht von Amphetaminen und sah Rot. Er raste über die Schaufenberger Straße nach Westen, bog dann auf die Gronewaldstraße ab, die zur Autobahn führt. Er überholte ein anderes Auto auf einem Grünstreifen und rammte es beim Wiedereinscheren. Doch das hielt H. nicht auf, er fuhr auf die Autobahn 46 in Richtung Heinsberg auf.

Damals endete die Autobahn noch an der Anschlussstelle zur B221, der Bereich war eine große Baustelle, durch die H. hindurchraste und mehrere Baken zerstörte. Auf der B221 hatte die Polizei mithilfe eines Streifenwagens und eines zufällig vorbeikommenden Traktors beim Dörfchen Schleiden eine Straßensperre errichtet. H. preschte mit seinem BMW durch eine Lücke, die Beamten mussten zur Seite springen. Die Verfolgungsjagd wurde nun abgebrochen: zu gefährlich. H. verschwand in Richtung Heinsberger Innenstadt.

H. hat den Vorfall ohne jeden Widerspruch gestanden, der Staatsanwalt fordert für die Verfolgungsjagd und zahlreiche Fälle von Fahren ohne Fahrerlaubnis, teils mit falschen Kennzeichen, eine Gesamtstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Darin sind auch andere Urteile enthalten, die bereits gegen H. ergangen sind.

Nun ist der Verteidiger an der Reihe, wortreich und eloquent trägt er sein Plädoyer vor. Kern der Argumentation ist, dass H. mittlerweile clean sei und eine Therapie anstrebe. Die Aussichten auf Erfolg seien groß, sofern er nicht wieder ins Gefängnis müsse. Natürlich müssten strengste Auflagen sein, sagt der Anwalt: engmaschige Bewährungshilfe, regelmäßige Drogentests, lückenlose Dokumentation der Therapie, die ein Jahr dauern soll.

„Und wenn er nur schwarzfährt, sperren Sie ihn ein, ich bin der Letzte, der dann ‚Schweinerei‘ schreit. Wer den Knall jetzt noch nicht gehört hat, dem ist nicht zu helfen.“ Er beendet sein Plädoyer, Richterin und Schöffen ziehen sich zur Beratung zurück. Sie dauert lange.

H.s Problem ist, dass er vielfach und teils einschlägig vorbestraft ist: schwere Körperverletzung, Fahren ohne Führerschein, Betrug, Diebstahl. Beim Verlesen des Vorstrafenregisters fügt sich das Bild einer Biografie zusammen, die von Straftaten, Bewährungszeiten und auch Gefängnisaufenthalten geprägt ist. Die Verfolgungsjagd von Hückelhoven nach Heinsberg war nicht die erste, die H. sich mit der Polizei geliefert hat.

Und einmal, da hat er zusammen mit einem Freund eine Rohrbombe gebaut und wollte sie auf einem Feld explodieren lassen — um sich ein „besonderes Knallerlebnis“ zu gönnen, so wurde es im schriftlichem Urteil zu diesem Fall dokumentiert. Zu dem Knallerlebnis kam es nicht, dafür aber zu einer Polizeikontrolle. Die Beamten scheinen H. auf dem Kieker gehabt zu haben. Dass er eine Rohrbombe dabei hat, war auch für sie neu.

Richterin und Schöffen kehren aus der Beratung zurück. H. wird schuldig gesprochen, unter anderem wegen Fahrerflucht, Gefährdung des Straßenverkehrs und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Für zwei Jahre und vier Monate wird er ins Gefängnis gehen, verkündet Corinna Waßmuth. Eine Haftstrafe von dieser Dauer kann nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Allein für die Gefährdung der Polizeibeamten, auf die H. bei Schleiden zuraste, gibt es ein Jahr.

Waßmuth widerspricht in diesem Punkt dem Plädoyer des Rechtsanwalts deutlich. Der hatte gesagt, dass Polizisten ja für solche Situationen ausgebildet seien, es habe also eigentlich keine richtige Gefährdung vorgelegen. „Wenn ich mir die Beamten in unserem Bezirk so ansehe, dann sind die nicht alle 25 Jahre alt und kommen gerade aus dem Fitnessstudio“, sagt nun Waßmuth. An den Angeklagten gewandt: „Es sind Männer, die Kinder haben, so wie Sie, es sind Männer, die eine Frau haben, so wie Sie.“ Zudem wird eine Führerscheinsperre verhängt.

Und doch könnte es für H. ein Hintertürchen geben. Sein Verteidiger hat angekündigt, ein Urteil, das nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, anzufechten. Und dazu rät die Richterin sogar ausdrücklich. Bis dahin solle H. auf seine Therapie in aller Ernsthaftigkeit hinarbeiten, vielleicht werde in der Berufung die Sachlage dann so sein, dass von einer Gefängnisstrafe abgesehen wird. „Sie werden es ohne Therapie nicht schaffen, Sie werden ein Drehtürleben führen: rein in den Knast, raus aus dem Knast“, sagt Waßmuth. „Ich drücke Ihnen die Daumen.“