Roncalli mit neuer Show : Ein Papst, die Pandemie und die Poesie
Aachen Das Circus-Theater Roncalli ist wieder auf Tournee und gastiert im April auf dem Aachener CHIO-Gelände. Direktor Bernhard Paul verrät im Interview, was Zuschauer nach langer Pandemiepause erwarten dürfen – und was ein Papst mit seinem Circus zu tun hat.
Herr Paul, es ist bald 50 Jahre her, dass Sie Ihren heute sehr berühmten Circus gegründet und mit ihm am 18. Mai 1976 Weltpremiere gefeiert haben. Warum haben Sie ihm nicht Ihren eigenen Namen gegeben, sondern den eines Papstes?
Bernhard Paul: Ich brauchte Gottes Segen für den Anfang. Natürlich stand hinter der Namenssuche auch eine Marketingidee: Es sollte ein klingender Name werden, mit dem die Leute sofort Zirkus assoziieren. Wie bei Sarrasani oder Cinelli. Knie gibt es auch – so heißt der Schweizer Nationalzirkus. Knie ist allerdings in erster Linie ein Körperteil und es hat Generationen gebraucht, bis die Menschen Knie mit einem Zirkus in Verbindung brachten. Das sollte bei uns nicht der Fall sein. Wir hatten verschiedene Namen zur Auswahl. Gewonnen hat letztlich der Papst. Roncalli – dabei denkt halt nicht jeder zu allererst an den Heiligen Vater. Deswegen war das der richtige Name für einen Newcomer wie uns damals.
Bei allem Erfolg gab es bei Roncalli in allen Jahrzehnten immer wieder schwierige Zeiten – zum Beispiel in den Corona-Lockdowns. 2020 und 2021 gab es weder Auftritte noch Einnahmen. Wie haben Sie die Zeit überstanden?
Paul: Anders als andere Unternehmen, die in der Pandemie den Großteil ihrer Leute entlassen haben, um danach Millionen an Corona-Hilfen zu kassieren, habe ich in der Zeit versucht, meine Mannschaft im Boot zu halten und durch schwere See zu navigieren. Nach den Lockdowns ging es dafür bei uns sofort wieder weiter. Alle anderen suchen heute noch händeringend nach Personal. Ich nicht!
Ihr Circus-Theater steht für eine schillernde Welt aus Akrobatik, Poesie, Romantik, Träumen und Nostalgie. Gleichzeitig ist es modern und fest im Hier und Jetzt verankert...
Paul: ...weil wir seit einigen Jahren frei von Plastik und Tieren sind. Tiere treten bei uns nur noch mithilfe einer Holografie auf. Wir sind damit auch nicht auf einen Zug aufgesprungen, sondern waren echte Vorreiter. Mittlerweile verzichten immer mehr Zirkusse auf Tiere. Und wir denken noch weiter: An unserem Zirkusbüffet gibt es inzwischen viel Veganes. Da sind wir auch geschmacksbildend. Das Publikum honoriert unsere Bemühungen um Nachhaltigkeit sehr. Es gibt allerdings einen Verein von Ewiggestrigen, den Verein der Zirkusfreunde, die haben mir vorgeworfen, den heiligen Zirkus zu verändern und mir dafür den Tod gewünscht. Aber damit kann ich leben.
Was ist das Besondere am neuen Programm?
Paul: All for Art for All verbindet das Zirzensische mit der Kunst großer Maler, Musiker und Filmschaffender. Zum Beispiel verknüpfen wir das experimentelle Ballett Oskar Schlemmers, der lange am Bauhaus in Weimar tätig war, mit unserem Zirkus-Ballett. Außerdem sind Kostüme inspiriert von Piet Mondrian, Andy Warhol oder Frieda Kahlo. Wenn Zirkus und Kunst eine solche Symbiose eingehen, dann nennt sich das Kultur.
Woraus ziehen Sie Ihre Inspirationen?
Paul: In diesem Fall habe ich sie in mir selbst gefunden. All for Art for All zeichnet meinen Lebensweg nach. Bereits im Studium war Kunst für mich wichtig. Das blieb auch, als ich Art-Director bei einem Magazin war oder in einer internationalen Werbeagentur gearbeitet habe. All for Art for All ist aber auch mein Bekenntnis dazu, dass Kunst für alle Menschen zugänglich sein sollte.
Wie entsteht so eine neue Show?
Paul: Das Projekt wächst. Auch ein Theaterstück wird erst ausgedacht, dann wird es geschrieben, dann wird es inszeniert, dann werden Kostüme gefertigt. Man muss außerdem die richtige Musik dazu finden. Das ist ein langer Prozess, dem eine ganz bestimmte Reihenfolge innewohnt, die aber nicht bei jedem Programm gleich abläuft. Und wenn ein Programm Premiere feiert, bin ich eigentlich schon gedanklich wieder bei neuen Ufern. Denn: Alle zwei Jahre muss bei uns eine neue Show her!
Haben Sie nie Angst, dass Ihnen die Ideen ausgehen?
Paul: Nein, das Gegenteil ist der Fall. Ich habe Angst, dass ich zu viele Ideen habe.
Was verbindet Sie mit der Stadt Aachen?
Paul: Wir sind viele Male auf dem Bendplatz aufgetreten, dann auf dem Blücherplatz, jetzt auf dem CHIO-Gelände. Gerade den Blücherplatz mag ich sehr, weil genau hier einst auch mein Kindheitsidol, der Clown Grock, aufgetreten ist. Darüber hinaus habe ich in Aachen viele Freunde, mit denen ich mich treffe und austausche, wenn ich vor Ort bin.