Aachen: Acht Tonnen Kamelle: Schwerstarbeit

Aachen : Acht Tonnen Kamelle: Schwerstarbeit

In der Viktoriastraße haben Karnevalsmuffel es am späten Vormittag besonders schwer. Solche zu bleiben, wohlgemerkt. Von 124 teilnehmenden Einheiten wartet hier das finale Dutzend an Wagen - und wärmt sich zu Karnevalshits, ewigen und denen der Session, nach Kräften auf.

Die Viktoriastraße samt anliegender Wohnungen ist für Stunden eine einzige Partymeile. Ganz am Ende wartet geduldig der Senatswagen der Prinzengarde. Gemeinsam mit ihren Ehefrauen sowie denen des Hofstaats justiert der Senat die Boxen, vor Regen und Wind gesichert mit Plastikplanen und Seemannsknoten.

Begehrte Ladung

Die süßen Wurfgeschosse wurden bereits am Freitag auf das Gefährt geladen. „Das dürften ziemlich genau acht Tonnen sein”, sagt Heiner Laschet, dem die Vorfreude bereits ins Gesicht geschrieben steht. Unter der allseits begehrten Ladung befinden sich allein 10.000 Printen. In den Vortagen wurde jede Einzelne von den Damen mit dem Herstelleremblem beklebt. „Ein Glück, dass wir Kinder haben”, scherzt Claudia Bougé, Ehefrau von Hofkapellmeister Harald.

Kurz bevor Senatspräsident Dietmar Spotke endlich den Startschuss geben kann, darf auch ein wenig Wehmut aufkommen. Die Blötsch (Kanone) der Oecher Penn bollerte zu diesem Zeitpunkt längst über den Marktplatz. Der Brander Bürgerprinz hat bereits die 90-Grad-Kurve am Kaiserplatz genommen. Und die CC Aachener Stadtkadetten grüßen bereits mit hoch erhobenem Klenkes den Adalbertsteinweg.

Kurzum: Hat man das Glück, das Publikum hoch vom Wagen aus erleben zu dürfen, muss man auf den Zoch aus der gewohnten Perspektive leider verzichten.

Doch als der Sattelschlepper der Garde sich endlich in Bewegung setzt, ist der leise Anflug von Kummer vergessen: Denn schöner als im Regen aus Klömpchere und Kamelle zu feiern, ist es, sie selbst mit vollen Händen auf das närrische Volk prasseln zu lassen.

Narrensicheres Rezept

So lässt sich auch beobachten, wie man seine Ausbeute als Teil der Meute am Straßenrand optimieren kann. Beispielsweise werden besonders inbrünstige Alaafrufe völlig zurecht mit üppigen Schnützkramschauern bedacht. Vorteilhaft auch, sich unter einem der zahllosen offen stehenden Fenstern zu positionieren. Und ein wirklich narrensicheres Rezept: besonders niedliches Aussehen - was freilich den ganz jungen Montagszugsgängern vorbehalten bleibt.

Über leere Taschen können sich auch der Prinz und sein engstes Gefolge nicht beklagen. Tollität Thomas I. bewundert den Zug wenige hundert Meter vor dem Kaiserplatz, wartend auf seinen Einsatz. Bevor der Prinzenwagen sich aber dem kunterbunten Lindwurm aus Fußtruppen, Reiterstaffeln und Traktoren anschließt, gibt es eine zünftige Süßzeugschlacht zwischen Hofstaat und Prinzengarde des Spaßmonarchen. Man bewirft sich gegenseitig beim Vorbeifahren heftig, ein Anblick, der jeder Beschreibung spottet.

Als es gen Elisenbrunnen geht, zeigt sich allmählich: Dem Kamellepfeffern als Leistungssport zollt Otto Normaljeck zu wenig Beachtung. Denn die Magazine gilt es im Fünfminutentakt nachzufüllen, was mit der Zeit ganz schön in die Knochen geht. Zur Erinnerung: acht Tonnen Gesamtgewicht.

Ferner - vom Straßenrand aus gottlob nicht zu erkennen - gleicht das Innenleben des prächtigen Senatswagen zunehmend einem Schlachtfeld. Wie durch Unterholz im tiefsten Wald stapfen die Senatoren durch ausgediente Kartons, zerrissene Plastikfolien und fehlgeleitete Klömpchere.

Schwerstarbeit, wenngleich mit ungleich höherer Verantwortung, tragen auch Truck- und Traktorenfahrer in den Kabinen sowie die seitlich marschierenden Ordner. Denn in ihrem Übermut begibt sich die Menge mitunter gefährlich nahe an die gewaltigen Reifen, um Printen, Popcorn und Pralinen zu erhaschen.

Kein Selbstläufer also, dass auch an diesem Rosenmontagszug mit nach Polizeiangaben 200.000 Jecken alles gut gegangen ist.