Leserbriefe zur Continental-Schließung: Absehbare Folgen und erdachter Reibach

Leserbriefe zur Continental-Schließung : Absehbare Folgen und erdachter Reibach

Nach über 89 Jahren schließt die Continental AG das Reifenwerk in Aachen. Mit dem Aus von Conti, den Folgen und weiteren Fragen beschäftigen sich unsere Leser.

Josef Konrad Niesters aus Alsdorf beschäftigt der Artikel „Aus für Conti in Aachen besiegelt“:

Die Weisheit „Never change a winning team“ gibt hier den Weg der getroffenen, falschen Entscheidung für die nächsten Jahre vor. Mein Bauch sagt mir: In drei Jahren wird auch der jetzige Vorstand mit Elmar Degenhart bei der Aktionärshauptversammlung die Bauchlandung zu spüren bekommen. In der Städteregion haben wir ja jetzt auch schon ein Mahnmal in Form der leeren Kronenbrot-Immobilien für verpatztes Vorstandsmanagement. Wenn wir moderne Sklaverei im 21. Jahrhundert auch heute als Globalplayer „Niedriglohnländer“ nennen, ist und bleibt es menschenverachtend.

Da lässt sich ein Vorstand von Finanzyuppies die Kosten schönrechnen, was in der Theorie vielleicht was hermacht, aber bei der Umsetzung in die Praxis werden ganz andere Problemstellungen bei der Logistik eröffnet, und der schöne erdachte Reibach schlägt in weitere Kosten um. Leider gibt es keine Statistik von Firmen, die in „Niedriglohnländern“ auf die Nase gefallen sind mit ihrer „Kosteneinsparung“. Die Menschen in diesen Ländern lassen sich auch heute nicht mehr für dumm verkaufen. Die verbleibende Zeit sollte von Aachen und der Städteregion genutzt werden: Das Knowhow dieser Mannschaft darf nicht zerschlagen werden durch Mitarbeiterentlassungen, sondern es sollten Möglichkeiten der Werksübergabe seitens eines Wettbewerbers oder einer Beteiligungsgesellschaft gesucht werden. Jetzt anstelle der in Aachen produzierten Reifen die des Wettbewerbers zu kaufen, wäre der falsche Weg für die betroffenen Mitarbeiter.

Martin Mersmann aus Aachen meint zum Conti-Aus:

Das deutsche Gesellschaftsrecht erlaubt zwei Weltfirmen das Gründen einer kleinen GmbH, der sie ihr Aachener Bildröhrenwerk überschreiben. Als es geschlossen wird, haften Philips und LG nicht über ihre Einlagen hinaus. 2004 bis 2010: Generali/AachenMünchener sah Aachen als relevanten Standort niemals vor: Ein Meeting ist als Tagesreise nicht einmal von oder zu jedem national wichtigen Standort möglich, für internationale Standorte und Zentrale braucht es zwei Übernachtungen beziehungsweise drei Tage. Jeder, der in einem multinationalen Unternehmen das mittlere Management erreicht, wusste, was das bedeutet, Aachener Politik und Medien nicht. Generali brauchte wertvolle Grundstücke mit Baugenehmigung für Immobilien als sichere Bilanzposten für den Börsenprospekt und die verschärfte EU-Finanzaufsicht. Die haben sie bekommen, 2019 wird der Name AachenMünchener gelöscht. 2020: Continental schließt Aachen nicht aus Platzmangel, sondern weil hier Produziertes woanders billiger herzustellen ist. Damit ist der Standort zum nächsten Generationswechsel der Produktionsmaschinen tot, flammende Reden von Armin Laschet oder gar Marcel Philipp ändern nichts. Man könnte die Differenz mal wieder aus öffentlichen Geldern ausgleichen, was die EU als unerlaubte Subvention verhindert, womöglich passierte es sonst ... 2030: Ob in fünf oder 15 Jahren, der Kohleausstieg kommt. Warum reden wir nicht heute schon darüber, was mit Mitarbeitern und Standorten passiert und lassen RWE bis dahin mit absehbar unzureichenden Auffangplänen business und Gewinn as usual machen? Womöglich junge Mitarbeiter einstellen, die unerfahren wie ungewarnt Häuser bauen? Solange wir in Deutschland grundlegende ökonomische Zusammenhänge nicht rational, sondern als „Weltanschauung“ ansehen, gilt: Wer zu blöd ist, den bestraft das Leben.